Im Sog der Sinnlichkeit
verrichtet und sich angekleidet hatte. Miranda hatte sich strikt geweigert, Miss Pennington zu begrüßen und ihr die Wartezeit mit höflicher Plauderei zu verkürzen. Also hatte er Richmond angewiesen, ihr Tee und Gebäck zu servieren.
Beim Umbinden der Krawatte musterte er sein Spiegelbild mit kritischem Blick. Erstaunlich, dass die kleine Platzwunde über der linken Augenbraue so stark geblutet hatte; sie konnte allerdings nicht von seinen geröteten Augen und den dunklen Ringen darunter ablenken. Er hätte auch eine Rasur dringend nötig gehabt, aber dafür blieb jetzt keine Zeit. Richmond verrichtete Gastgeberpflichten, die eigentlich nicht seine Aufgabe waren, und wenn Benedick sich selbst rasiert hätte, hätte er vermutlich noch ein weiteres Blutbad angerichtet.
Was, wenn er sich recht überlegte, nicht das Schlechteste gewesen wäre.
Einerlei, wenn er verheiratet wäre, würde Miss Pennington ihn morgens unrasiert im Ehebett sehen. Er schauderte und verharrte einen Moment an der Tür zum blauen Salon. Er hätte Richmond anweisen sollen, die Dame in einem anderen Zimmer warten zu lassen. Hier drin hatte er zu viel Zeit mit Charity Carstairs verbracht.
Allerdings würde er ja auch sein Schlafzimmer, sein Bett mit Miss Pennington teilen. Das Bett, in dem er Melisande geliebt hatte. Wenn etwas die Erinnerung an sie vertreiben konnte, dann Dorotheas spitzes Gesicht.
Er straffte die Schultern und öffnete die Tür.
Miss Pennington saß vor dem Kamin, kerzengerade mit durchgedrücktem Rücken, die behandschuhten Hände sittsam im Schoß gefaltet, die Lippen verdrossen geschürzt. Eigentlich ein hübsches Gesicht, stellte er erstaunt fest. Gut geschnitten, klarer Teint, vielleicht etwas zu kleine Augen und ein geschwungener, wenn auch schmaler Mund. Wenn sie weichherziger wäre und öfter lächelte, wäre sie ganz reizvoll. Vielleicht könnte er sie milder stimmen.
Sie wandte sich ihm zu, erhob sich und musterte ihn missbilligend aus kalten Augen. „Ihr Zustand ist nicht dazu angetan, Gäste zu empfangen, Rohan“, erklärte sie statt einer Begrüßung.
„Verzeihung. Aber ich wollte Sie nicht zu lange warten lassen und hoffte, Sie haben Nachsicht mit meiner nicht gerade perfekten Erscheinung“, antwortete er und strich sich über die Bartstoppeln am Kinn.
Sie sah nicht so aus, als würde sie mit irgendetwas oder irgendwem Nachsicht haben, doch dann setzte sie ein gekünsteltes Lächeln auf. „Selbstverständlich, mein Lieber.“ Sie sank wieder in den Sessel und gestattete ihm damit, sich gleichfalls zu setzen, was er dringend nötig hatte.
„Und welchem Umstand verdanke ich die außerordentliche und unerwartete Ehre Ihres Besuchs, Miss Pennington?“ Ob es an seinem verkaterten Zustand oder seiner Beule am Kopf lag, wusste er nicht, aber er hatte keine Ahnung, was sie von ihm wollte.
„Es ist zwar schrecklich ungebührlich von mir, aber ich habe Sie schon eine Weile nicht gesehen und war in Sorge um Sie. Ich wollte mich nur vergewissern, dass Sie wohlauf sind.“
Er hoffte, sein gehetzter Blick würde ihr entgehen. Er fühlte sich in ihrer Nähe beinahe wie ein Hase, der versuchte, einem Wachtelhund zu entkommen – auch wenn er selbst diese Hunderasse ausgesprochen schätzte.
„Danke der Nachfrage, mir geht es ausgezeichnet, Miss Pennington. Ich muss mich entschuldigen … dringende Familienangelegenheiten.“ Sein Blick schweifte unstet umher auf der Suche nach einem unverfänglichen Thema. „Aber Sie haben Ihren Tee nicht angerührt. Gestatten Sie mir, nach frischem …“
„Nein, danke, Rohan. Ich hege eine Abneigung gegen Süßigkeiten und halte die Teestunde am Nachmittag für etwas für schwache Charaktere.“
Schon wieder schoss ihm der Gedanke an Melisande durch den Sinn. Sie hätte die Platte mit dem köstlichen Buttergebäck bereits bis auf den letzten Krümel leer geputzt. Eine Frau mit gesundem Appetit hatte etwas … Beruhigendes an sich.
Unwirsch verdrängte er den Gedanken. Dorothea Penningtons Gegenwart war nicht dazu angetan, seine rasenden Kopfschmerzen zu lindern, und er wollte sie so schnell wie möglich loswerden. „Ganz recht“, bestätigte er matt und hätte liebend gern seinen rechten Arm für eine Tasse lauwarmen Tee gegeben. „Und womit kann ich Ihnen dienen, Miss Pennington?“
Sie saß stocksteif auf ihrem Stuhl. Er hätte es nicht für möglich gehalten, aber sie richtete sich noch gerader auf. „Darf ich aufrichtig sein, Lord Rohan?“
„Ich bitte
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