Im Sog Des Boesen
anders, und die Frau hier ist schlanker als Frances. Die war kräftiger und insgesamt nicht so zierlich.«
Einer der Männer drehte sich halb zur Nachbarnische um. »Hey, Darrell, schau dir das mal an.«
Bald darauf hatte ein halbes Dutzend Goths das Phantombild betrachtet. Einer von ihnen sagte: »Das ist nicht Frances, sondern die Fairy. Nach der suchen Sie doch, oder?«
Lucas nickte. »Sind Sie sicher?«
»Ja, ich hab sie gesehen. Auf dem Bild ähnelt sie Frances, aber nicht in der Realität. Sie ist kleiner, schlanker und dunkler.«
»Sie kennen beide?«
Er schüttelte den Kopf. »Kennen wäre zu viel gesagt. Ich bin der Fairy an einem Abend begegnet, hab jedoch erst heute erfahren, dass sie gesucht wird.« Er blickte zum Barkeeper hinüber. »Das weiß ich von Jerry. Jedenfalls ist das die Fairy.«
»Scheiße«, brummte Lucas. Frances Austin war also definitiv tot. Die nächsten Minuten verbrachte er damit, Namen zu notieren.
Dann geschah etwas Merkwürdiges.
Ein dunkelhaariger Mann mit seltsam gekräuseltem Schnurrbart, Sonnenbrille und Lederjacke trat ein, musterte Lucas, bis dieser den Blick hob, und verschwand wieder.
Lucas entschuldigte sich und folgte ihm.
Die schmale Gasse hinter dem Gebäude, in der Dick Ford ermordet worden war, wurde von einer einzelnen Lampe über der Tür des A1 sowie von einer Straßenlaterne am anderen Ende erhellt. Dort wartete der Schnurrbärtige, und
hinter ihm schlüpfte eine schlanke, dunkelhaarige Frau in die Dunkelheit. Lucas machte einen Schritt in ihre Richtung. Dabei nahm er den Müll, darunter eine leere Cola-Dose, auf dem Boden sowie die unebene Ziegeloberfläche wahr, dann bewegte der Mann die Rechte, und plötzlich schien die Welt zu kippen.
Lucas setzte zunächst noch den Schritt fort, den er begonnen hatte, bevor ihm bewusst wurde, dass der Mann eine Pistole auf ihn richtete, und er selbst zur Waffe griff. Doch da eröffnete der Mann bereits das Feuer, und Lucas duckte sich hinter die sich schließende Stahltür des A1, wo er den Schmerz in seinem linken Bein bemerkte. Erst als er an der Mauer zu Boden sank, gelang es ihm, seine Pistole zu ziehen.
Er war verletzt und blutete, hörte Leute im Club rufen und sah den Mann aus der Gasse hinauslaufen. Etwas stimmte nicht; Lucas’ Bein fühlte sich an, als stünde es in Flammen. Trotzdem humpelte er bis zur Ecke, wo er mitbekam, wie der Motor eines Wagens angelassen wurde. Dann hatte er nur noch einen Gedanken: Hoffentlich hat er nicht meine Eier getroffen …
Der Schmerz überspülte ihn in Wellen.
Mühsam schleppte sich Lucas zurück zum Club, wo er vor der Tür zu Boden sank. Leute begannen, nach Polizei und Notarzt zu rufen.
»Ich bin ausgebildete Krankenschwester, lasst mich mal ran«, sagte eine Goth-Frau und zog Lucas mit einem der Goth-Männer die Jeans herunter, um einen Blick auf seinen blutenden Oberschenkel zu werfen.
»Zum Glück hat’s keine Arterie erwischt«, stellte die Frau fest und sah Lucas an. »Trotzdem müssen Sie ins Krankenhaus.« Über die Schulter rief sie: »Fragt Jerry, ob er einen Erste-Hilfe-Kasten hat.« Und an Lucas gewandt, fügte sie hinzu: »Wir müssen einen Druckverband anlegen.«
»Polizei und Notarzt sind unterwegs«, informierte Jerry sie.
Wenig später trafen die Beamten ein, ein rotgesichtiger Blonder mit seinem farbigen Partner.
»Scheiße, Davenport«, begrüßte der Schwarze Lucas. »Was ist denn passiert?«
»Ein Typ mit’nem Schnurrbart hat mich erwischt.«
Die Goth-Krankenschwester presste ein uraltes Gaze-Pad aus einem ebenso alten Erste-Hilfe-Kasten auf die Wunde in Lucas’ Oberschenkel.
»Ich ermittle im Fall Austin und … aua … Dick Ford, mit Harry Anson«, erklärte Lucas. »Verdammt, das tut weh«, zischte er die Krankenschwester an. An den Cop gewandt: »Rufen Sie Anson an. Der Mistkerl hat mich in einen Hinterhalt gelockt: mittelgroß, schwarze Haare, Schnurrbart, schwarze Lederjacke, Wagen um die Ecke. Könnte sein, dass er hinkt. Scheiße, tut das weh.«
Wenig später trafen die Sanitäter ein, die ihn auf eine Rollbahre legten und in den Wagen schoben, wo man ihn fragte, ob er Aspirin, Drogen oder Herzmittel genommen habe. Nachdem Lucas Auskunft gegeben hatte, holte er das Handy aus der Tasche. Der Sanitäter sagte: »Das dürfen Sie hier drin nicht verwenden.«
»Unsinn«, erwiderte Lucas. »Ich rufe meine Frau an, bevor’s jemand anders tut.«
Sie versprach, sofort zu kommen. Danach scrollte er mit zitternden Fingern durch
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