Im Sog Des Boesen
Bluterguss eingebettet.
Zum Frühstück gab es wieder Muffins. Dazu las Lucas Berichte über sich selbst in der Pioneer Press und im Star Tribune , verfasst von Ruffe, dem für Kriminalfälle zuständigen Reporter. Unter den Kommentaren entdeckte er einen Artikel mit der spöttischen Überschrift »Wieder mal Davenport«, der daran erinnerte, dass Lucas einmal einen Zuhälter verprügelt hatte und deshalb vorübergehend aus der Polizei von Minneapolis ausgeschieden war. Allerdings verschwieg er, dass der Zuhälter Lucas’ Informanten mit einem Bierdosenring traktiert hatte.
Als Weather ihn das nächste Mal besuchte, erzählte sie:
»Sie haben den Artikel über den Luftröhrenschnitt noch mal abgedruckt.«
»Ja, hab ich gesehen.« Damals hatte ihm ein kleines Mädchen in den Hals geschossen, worauf Weather ihm das Leben mit einem Taschenmesser rettete … Daran dachte er eigentlich nur noch, wenn er zufällig die Narbe an seinem Hals berührte. Einmal hatte Weather ihn gefragt, ob er sie deswegen geheiratet habe. Seine Antwort lautete: »Nein, aber wenn du’s nicht gemacht hättest, wär’s mit der Heirat nichts geworden.«
Um elf Uhr vormittags durfte er endlich das Krankenhaus verlassen. Man schob ihn im Rollstuhl zu Weathers Wagen und reichte ihm für den letzten Meter Krücken. Im Auto sagte sie: »Wenn du ein bisschen sensibler wärst, würd’ ich mir über einen posttraumatischen Schock Gedanken machen.«
»So spricht man nicht mit Patienten«, beklagte er sich.
Am zweiten Tag nach der Schießerei waren die Schmerzen in seinem Bein schlimmer als am ersten. Es fühlte sich an, als hätte jemand es mit einem Baseballschläger bearbeitet. Lucas war dankbar für die Schmerzmittel, die man ihm mitgegeben hatte.
Den Tag verbrachte er zu Hause und ließ sich von der Haushälterin verleugnen. Wenn Presseleute anriefen, sagte sie ihnen, er sei im Büro. Zuerst lag er im Bett, dann auf der Couch im Wohnzimmer und schmökerte in Egon Lass’ The Seasons of Tulul , in dem es um das Leben bei den Beduinen ging, und in einem Krimi von Reginald Hill.
Er fand einfach keine schmerzfreie Stellung für das Bein und wurde von der Haushälterin gefüttert wie ihr Lieblingskanarienvogel. Die Beschwerden schienen nach zwei Ausflügen zur Toilette ein wenig nachzulassen, verstärkten sich jedoch später wieder.
Am Abend aßen sie alle gemeinsam. Letty erzählte von Schusswunden, die sie gesehen hatte - ziemlich viele für ihr Alter -, und verglich die seine mit einem eingerissenen Nagelbett.
Lucas blaffte sie an: »Trotzdem tut sie höllisch weh.« Daraufhin brach Letty in Tränen aus und stand vom Tisch auf. Als er ihr ein »Hey!« nachrief, meinte sie: »Ich wollte dich doch bloß aufmuntern.«
Auf Weathers »Mein Gott« folgte ein trauriges Aufstöhnen von Sam.
»Morgen läuft’s sicher schon besser«, sagte Lucas.
Wieder eine schlaflose Nacht, diesmal, weil er über Letty und Sam nachdachte.
Am dritten Morgen nach der Schießerei war der Schmerz immer noch da, aber nicht mehr so heftig. Weather legte ihm einen neuen Verband an und erklärte, dass die Wunde deutlich besser aussehe. Sie heile gut; es sei keine Entzündung zu erkennen; auf lange Sicht würde sie ihm keine Probleme machen.
»Gut, dann fahre ich in die Stadt.«
»Nimm den Truck«, riet sie ihm. »Mit Automatik tust du dich leichter.«
Letty küsste ihn auf die Stirn, bevor sie ging, was ihn freute, obwohl er sich ziemlich alt vorkam, und Sam lief gegen die Wand, ohne groß zu jammern. Sam stieß oft gegen Sachen und nannte die Verletzungen, die er sich dabei zuzog, »Bimps«.
Beim Frühstück hatte Lucas im Star Tribune den Aufguss des Artikels vom ersten Tag nach der Schießerei gelesen, in dem die einzige neue Information letztlich war, dass die Polizei bislang nichts herausgefunden hatte.
Außerdem fand sich darin ein Kommentar des Gouverneurs: »Manchmal müssen wir Risiken eingehen, und manchmal kommen wir dabei zu Schaden. Soweit ich weiß,
ist Lucas bereits wieder auf den Beinen; er wird den Täter sicher bald fassen.« Das klang, als stünde der Gouverneur mit einer Waffe in der Hand hinter Lucas.
Lucas bewegte sich mit seinen Krücken zum Truck.
Als Lucas humpelnd das Büro betrat, begrüßte Carol ihn mit folgenden Worten: »Mein Gott, was tun Sie denn hier?«
»Ich will arbeiten.«
»Auf diesen Krücken?«
Er warf einen Blick darauf. »Ja, wenn es sein muss.«
Dann rief er Alyssa Austin an. »Ich muss mit dir
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