Im Sog Des Boesen
Typ war weg, bevor ich die Waffe gezogen hatte.«
»Scheiße, jetzt stehen wir wieder da wie Waschlappen«, meinte Jenkins.
»Hör auf. Der Mann sieht nicht sonderlich glücklich aus«, rügte ihn Shrake.
»Und wenn schon. Wer seinem Gegner nicht ins Gesicht tritt, wenn er am Boden liegt, ist dämlich.«
»Alles in Ordnung?«, fragte Shrake Lucas.
»Ich bin mir nicht so sicher. Er hat meine Eier um fünf Zentimeter verfehlt und die Arterie ganz knapp. Ich hab keine Ahnung, wer er ist oder was er will. Fest steht nur, dass ich beinahe hopsgegangen wäre.«
»Der Typ ist ein Versager«, verkündete Shrake. »Hat bloß’nen Streifschuss zuwege gebracht.«
»Tja, ich wär also fast von einem Loser umgebracht worden«, seufzte Lucas.
»Beim nächsten Mal kriegen Sie ihn«, sagte Jenkins. »Ein Profi, ein Cop oder jemand, der sich mit Waffen auskennt, hätte direkt vor der Tür auf Sie gewartet und aus einem halben Meter Entfernung geschossen. Dann wären Sie jetzt tot. Aber er ist aus Angst in sicherer Entfernung geblieben.«
»Hat das mit dem Austin-Fall zu tun?«, erkundigte sich Shrake.
»Das will ich hoffen«, antwortete Lucas. »Denn wenn nicht, hab ich keine Ahnung, was das Ganze soll.«
»Wir sollten überprüfen, ob Antsy noch einen Bruder hat«, schlug Jenkins Shrake vor. »Oder einen besonders guten litauischen Kumpel.«
Lucas schüttelte den Kopf. »Freunde von Antsy hätten es schlauer angestellt. Der Typ war ein Amateur. Ich glaube, er hatte das erste Mal eine Waffe in den Fingern, weil er sie tief gehalten hat, mit abgewinkeltem Handgelenk, wie Elvis
Presley auf dem Bild mit dem Cowboyanzug. Er wusste nicht, wo die Kugeln landen würden.«
Jenkins klopfte ihm auf die Schulter. »Ich bin jedenfalls froh, dass er Sie nicht umgebracht hat. Gott allein weiß, wer Ihr Nachfolger geworden wäre. Wahrscheinlich irgend so ein Scheißbürokrat.«
Zurück in seinem Büro, starrte Lucas eine Weile den Bildschirm seines Computers an. Weil sein Bein ihm wieder zu schaffen machte, nahm er eine Schmerztablette und lugte unter den Verband, konnte aber zum Glück kein Wundsekret entdecken.
Er musste erneut an das Geld denken: Selbst wenn sie Drogen im Wert von fünfzigtausend Dollar erworben hatte, rechtfertigte der Profit, den sie beim Wiederverkauf erzielte, nicht das Risiko, und außerdem besaß sie ja schon genug Geld.
Wesentlich war, dass sie den Betrag bar abgehoben hatte.
Niemand sollte die Transaktion zurückverfolgen können - einen anderen Grund für eine so hohe Abhebung gab es nicht. Natürlich hätte sie das Geld jemandem leihen können, der keine Spuren, beispielsweise beim Finanzamt, hinterlassen wollte, oder - noch unwahrscheinlicher - einer politischen Extremistengruppe, zu der ihre Verbindung geheim bleiben sollte.
Doch das klang alles sehr unglaubwürdig. Vermutlich, dachte Lucas, war die Erklärung, wenn er sie erst einmal fand, ganz einfach. Vielleicht hatte sie ja einen Ferrari von jemandem gekauft, der keine Schecks akzeptierte.
Aber warum dann die Geheimnistuerei bei den Abhebungen?
Er holte sein Notizbuch aus der Tasche, in dem die Namen Mark McGuire und Denise Robinson standen, und überprüfte sie in unterschiedlichen Datenbanken, darunter auch der der Telefongesellschaften.
Als Lucas bei Denise Robinson anrief, ging sie sofort ran.
Lucas nannte seinen Namen und sagte: »Ich würde gern mit Ihnen und Mr. McGuire reden. Über Frances Austin.«
»Mark kommt erst in ungefähr einer halben Stunde wieder …«
»Früher kann ich sowieso nicht da sein.« Lucas nahm Sakko und Stock und informierte Carol: »Ich muss los.«
»Wohin?«
»Nach Maplewood. Zu Denise Robinson und Mark McGuire, Freunden von Frances Austin.«
»Vielleicht sollten Sie Del mitnehmen.«
»Nein, nein. Es handelt sich um ein harmloses Gespräch.«
»Vernünftiger wär’s, Sie würden sich zu Hause ins Bett legen«, sagte Carol. »Sonderlich frisch sehen Sie nicht aus.«
Auf dem Weg nach Maplewood rief Sandy ihn über Handy an. »Ich hab achtzehn Lorens für Sie.«
»Gott segne Sie.«
»Ein altmodischer Name - die meisten sind zwischen fünfzig und siebzig. Ich schicke Ihnen die Info an Ihre E-Mail-Adresse im Büro.«
»Gut. Jagen Sie die Namen durch die Nationale Datenbank, und melden Sie sich dann wieder.«
»Danach geht heute allerdings nichts mehr.«
»Verabredung?«
»Genau.«
Denise Robinson und Mark McGuire waren das genaue Gegenteil von Goths, dachte Lucas, als er sie kennenlernte. Sie
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