Im Sog Des Boesen
»Lassen Sie mir eine Woche Zeit, damit ich überlegen und mit Freunden reden kann. Möglicherweise …«
»Ich ruf Sie an«, sagte Mark.
Im Büro überprüfte Lucas seine E-Mails, darunter auch die von Sandy mit Daten und Fotos der Lorens. Bei der Betrachtung der Bilder sah er sich dem Problem aller Augenzeugen gegenüber: Die achtzehn Kandidaten waren samt und sonders zwischen zweiundzwanzig und fünfunddreißig und hatten dunkle Haare; jeder konnte der Schütze sein. Die meisten hatten sogar Ähnlichkeit mit Mark McGuire. Es gelang ihm nicht, sich für einen zu entscheiden.
Er wählte Alyssa Austins Handy-Nummer. »Wo bist du?«
»In Edina.«
»Hast du dort Zugang zu einem Computer, über den du eine E-Mail empfangen kannst?«
»Klar. Hier im Büro steht einer - ich geb dir die Adresse.«
»Ich schick dir achtzehn Digitalfotos, alle von Lorens.«
»Moment.«
Lucas wartete ein paar Minuten, bis sie das Telefon wieder in die Hand nahm.
»Tut mir leid, Lucas. Keine Ahnung. Es könnte jeder oder gar keiner gewesen sein. Nur die zwei mit den Geheimratsecken scheiden aus. Die waren es mit Sicherheit nicht.«
»Gut. Ich hatte das gleiche Problem und konnte den Schützen auch nicht identifizieren. Wir müssen wohl weiterforschen.«
Das Bein tat ihm wieder weh. Er versuchte, nicht darauf zu achten, während er im Büro die Liste der Lorens auf der Suche nach Pick-ups durch die Datenbank jagte. Am Ende blieben vier, von denen er einen strich, weil sein Instinkt ihm sagte, dass der es nicht sein konnte.
Als der Schmerz schlimmer wurde, nahm er seinen Stock, sagte Carol, dass er nach Hause fahren würde, und humpelte zum Wagen hinunter.
Er bewegte sich im Kreis.
Frances’ Verschwinden führte zu dem Mord an Dick Ford. Der wiederum führte zu der Fairy, über die er selbst Nachforschungen angestellt hatte, in deren Verlauf er von einem dunkelhaarigen Fremden angeschossen worden war. Und dieser Fremde - Loren X? - führte zurück zu Frances.
Als er nach Hause kam, war niemand da. Die Haushälterin war mit Sam unterwegs, Weather noch in der Arbeit, Letty in der Schule. Da er in den folgenden Stunden den Wagen nicht brauchen würde, nahm Lucas eine ganze Schmerztablette und setzte sich an den Computer, um Sandys E-Mail mit den Daten abzurufen.
Einer der Lorens mit Pick-up war einmal wegen eines kleineren Drogendelikts in Minneapolis festgenommen, ein anderer wegen eines Diebstahls bei Wal-Mart zu einer Schadenersatzzahlung verurteilt worden. Der zweite schien Lucas nicht der richtige Typ für Frances zu sein, der dritte wohnte in Fertile, also zu weit weg.
Den Loren mit den Drogen hielt Lucas für den wahrscheinlichsten. Er hatte einen Toyota-Pick-up von 2002. Hm. Lucas rief Del an.
»Hast du gerade Zeit?«
»Was gibt’s?«, fragte Del.
»Ich würde gern im Fall Austin mit jemandem reden, hab aber gerade eine Schmerztablette eingeworfen.«
»Das heißt, du brauchst einen Chauffeur.«
»Ja.«
»Ist mal was Neues. Bin in ein paar Minuten da.«
Loren Whiteside O’Keefe wohnte in einem ordentlichen, wenn auch nicht zu hübschen Wohnkomplex in Woodbury, östlich des Zentrums von St. Paul. Lucas und Del fuhren mit dem Aufzug in den zweiten Stock. In den langen, leeren Korridoren befanden sich Reihen identischer Holztüren sowie ein mittelblauer Teppichboden.
»Wird in zehn Jahren ziemlich runtergekommen sein«, bemerkte Del. »Die Wände schauen aus, als wären sie aus Pappe.«
»In zehn Jahren sind die Eigentümer in der Gewinnzone«, sagte Lucas.
»Falls sie sich für ein Slumlord-Dasein entscheiden.«
Lucas begann zu humpeln.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte sich Del.
»Ja, bestens.« Der Schmerz hatte tatsächlich nachgelassen, doch hin und wieder überraschte ihn ein Muskelkrampf.
Loren O’Keefe wohnte in Apartment Nummer 355. Sie hörten Musik und klopften. Ein rundlicher Mann mit rosigen Wangen öffnete. »Ja?«
»Loren O’Keefe?«
»Ja. Und wer sind Sie?«
Er hatte dunkle Haare, einen großen Kopf und hängende Schultern. Der Schütze hatte breite Schultern und einen kleinen Kopf. So etwas konnte man auf einem Führerscheinfoto leider nicht erkennen - genauso wenig wie die Tatsache, dass O’Keefe mit leichtem, aber deutlich wahrnehmbarem irischem Akzent sprach. Und von Alyssa Austin wusste Lucas, dass Frances’ Loren klang, als käme er aus der Gegend.
»Staatskriminalamt von Minnesota.« Lucas und Del streckten ihm ihre Ausweise hin.
»Was ist passiert?« Im
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