Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
Scotch, von deren Existenz ich gar nichts mehr wusste. Kein hochwertiges Zeug, aber auch nicht vom Billigsten. Geschickt, wie ein geübter Berufskellner klemmte ich mir die Flasche unter den Arm und nahm die Kaffeetassen mit ins Wohnzimmer, stellte wie immer alles auf dem Tisch ab und pflanzte mich aufs Sofa, da Wolf bereits den Sessel in Beschlag genommen hatte. Er schien bedrückt und müde, abgearbeitet oder vielleicht sogar völlig am Ende seiner Kräfte. Er hing im Sessel wie ein Schluck Wasser in der Kurve, wie man so schön sagt.
„Harter Tag?“, fragte ich , um ein Gespräch ins Rollen zu bringen.
„Ziemlich“, erwiderte Wolf kurz angebunden und blickte auf die Flasche Scotch, dann setzte er hinzu: „Die ist ja schon halb leer.“
Ich schüttelte den Kopf . „Sie ist noch halb voll. Reicht dir das nicht?“
„Vermutlich nicht.“
„Muss ja ein ziemlich harter Tag gewesen sein. Was ist passiert?“
„Sie haben Jim getötet.“
„Wen? Deinen Partner?“, fragte ich entsetzt.
Wolf nickte ohne ein Wort.
„Wer hat ihn umgebracht?“, setzte ich nach, doch Wolf zuckte nur mit den Schultern. Es war ganz offensichtlich, dass er tieftraurig über diesen Verlust war und er tat mir leid.
„Wie ist es passiert?“, fragte ich dennoch, weil ich die Kontro lle über meine Neugier schon verloren hatte, seit er das Wort getötet benutzt hatte.
„Sie haben ihm die Augen ausgestochen.“
Ich schüttelte mich und spürte einen Schauder über meinen Rücken fahren.
„Hast du einen Verdacht, wer das war?“
„Nicht wirklich. Vielleicht einen Hinweis. Die beiden Typen aus der Drogenhütte, erinnerst du dich?“
„Ja, die Drogenhütte. Was ist damit?“
„Beim Verhör erklärte einer der Beiden, dass die Drogen einer Bande von Spinnern gehörten, die sich selbst die Black Spider nennen. Schon mal gehört?“
„Nein. Nicht dass ich wüsste.“
„Diese Typen hatten beide eine Tätowierung auf dem Handgelenk, eine schwarze Spinne. Das ist wohl ihr Markenzeichen.“
„Der arme Jim. Musste er sehr leiden?“
„Es gab keine tödlichen Verletzungen. Alles deutet darauf hin, dass sie ihm die Augen bei lebendigem Leib rausgeschnitten haben, diese Metzger. Genaueres wissen wir aber erst, wenn die Obduktion abgeschlossen ist. Wir suchen nach Drogen, Betäubungsmitteln oder ähnlichem in seinem Blut.“
„Dann kann man ja noch auf eine Spur hoffen, oder?“
„So ist es. Wir werden solange suchen, bis wir was haben. Sag mal, soll ich den Fusel aus der Flasche trinken, oder bekomme ich ein Glas?“
Ich holte eilends ein Glas aus dem Schrank und reichte es ihm. Er stellte es auf den Tisch, goss einen Tropfen Whiskey hinein und trank dann doch aus der Flasche. Trotz der bedauernswerten Situation musste ich lachen und freute mich gleichzeitig, dass ich derjenige war, bei dem er Trost suchte. Mein Bruder und ich, wir waren wohl beide einsam, hatte keine Frauen, oder Kinder, oder Eltern und heute hatte mein Bruder zu allem Unglück auch noch seinen Partner und besten Freund verloren. Ich könnte heulen und doch lachte ich über sein verrücktes Verhalten. Schließlich griff ich mir das Glas mit dem Tröpfchen Scotch und hielt es in die Höhe.
„Auf Jim. Möge er in Frieden ruhen.“
Wolf hob die Flasche. „Dein Wort in Gottes Ohr.“
Und dann tranken wir…
Mitten in der Nacht schreckte ich schweißgebadet auf und rutschte von der Couch. Mit dem Kopf traf ich die Tischkante , stöhnte kurz und fing mich mit den Händen am Boden auf. Neben mir lag die leere Whiskeyflasche auf dem Teppich. Wir hatten den Inhalt vollständig beseitigt, getreu dem Motto: des Menschen einziger Feind, den er lieben gelernt hat.
Mein Sch ädel brummte, mir war nur nicht klar, ob wegen des Alkoholkonsums oder des Wohnzimmertisches. Eines davon wird es schon gewesen sein, möglichenfalls Beides. Ich setzte mich vorsichtig auf die Couch zurück und blickte zum Fernseher, der einzigen Lichtquelle, die den Raum in einem trägen Blau ausleuchtete. Wolf schnarchte auf dem Sessel und ich war sicher, wenn er aufwachte, würde er fürchterliche Kreuzschmerzen erleiden, so krumm, wie er dalag.
Wieder einmal hatten mich die Spiegel in meinen Träumen aufgesucht und ich saß schweißgebadet hier. Diese Träume saugten mich regelrecht aus. Dazu noch die frische Beule vom Wohnzimmertisch und ein trockener Mund mit üblem Geschmack, ich hatte das unweigerliche Bedürfnis, zu duschen und die Zähne zu putzen. Ich griff mir die leere
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