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Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)

Titel: Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joachim H. Schwarz
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endlich hörte ich die Stimme meiner Therapeutin. Beim letzten Telefonat konnte sie meine Panikattacke stoppen, indem sie mir riet, in den Spiegel zu gehen. Damals hatte es funktioniert, heute war noch alles offen. So saß ich da, schwitzte und sprach mir die überzeugenden Worte zu:
    „Geh endlich hindurch, geh in den verdammten Spiegel.“
    Nachdem ich es zum zehnten Mal ausgesprochen hatte, sprang ich auf die Beine und rannte mit geschlossenen Augen mitten hindurch. Diese Aktion kam mir im Nachhinein äußerst töricht vor, wusste ich doch, dass es nicht immer funktioniert. Meist spürte ich eine gewisse Wärme, bevor ich hindurch trat, eine Wärme, die ich heute nicht gespürt hatte, was aber sicherlich daran lag, dass es hier ohnehin viel zu heiß war, um eine sanfte Wärmequelle wahrzunehmen. Nichtsdestotrotz hatte ich es geschafft, stand vor dem Spiegel und starrte durch ihn auf die reale Seite. Ich war drin.
    Mit kräftigen Zügen atmete ich mehrmals ein und aus, verließ das Bad und ging zur Tür. Ich wusste, dass sie nicht abgesperrt war, nicht auf dieser Seite der Welt, also verließ ich mein Gefängnis und fand mich in der angenehm kühlen Vorhalle dieses Etablissements wieder. Mein Gefängniswärter saß möglicherweise in dem gepolsterten Stuhl, der in der Ecke stand, aber das konnte ich nur vermuten, denn in dieser irrealen Spiegelwelt existierten keine Menschen, abgesehen von mir. Am Ende der Halle sah ich eine beeindruckende Doppeltür aus dunklem Holz, die mich unerträglich neugierig machte. Mit schnellen Schritten ging ich auf sie zu und zog sie auf. Mein verzerrter Blick traf auf etwas Surreales und ließ meine Kinnlade abwärts rutschen. Ein voll ausgestatteter Computerraum, der eine Kameraaußenüberwachung steuerte. Ich sah sechs große Monitore und jeder einzelne zeigte einen Teil der Wüstenlandschaft, die jenseits dieses Gebäudes lag, bis auf zwei. Sie zeigten eine Höhle. Das ganze wirkte auf mich, wie ein Parcours, ein Computerspiel oder etwas Ähnliches. Ich setzte mich auf einen der vier Bürostühle und beobachtete eine Weile die Monitore, um festzustellen, dass die Welt da draußen keinerlei Leben aufwies. Erst jetzt fiel mir wieder ein, dass ich mich auf der spiegelverkehrten Seite befand und nicht wusste, ob ich bei den Monitoren auf die andere Seite blickte, oder nur in eine menschenleere Welt. Hier war jede Glasscheibe, jeder Spiegel ein Fenster zur anderen Seite, aber was war mit einem Monitor? Ich wusste es nicht und die karge Landschaft in den Bildschirmen langweilte mich sehr schnell. Ich zog ein paar Schubladen auf, gähnte zwischendurch und dachte an eine kalte Dusche, um den Schweiß loszuwerden, der an meinem Körper klebte und mittlerweile meinen Geruchssinn beleidigte, doch in der letzten Schublade fand ich eine Pistole, was mich auf neue Gedanken brachte. Von Wolfs Pistole, mit der ich regelmäßig gespielt hatte, wenn er nicht hinsah, wusste ich schon, wie man sie öffnet, also prüfte ich das Magazin und überlegte, wie ich die zur Verfügung stehenden acht Kugeln sinnvoll einsetzen könnte. Klar war, dass ich sie auf die andere Seite mitnehmen musste, denn hier erfüllte sie keinen Zweck. Andererseits dachte ich daran, was passiert war, als ich das letzte Mal versucht hatte, etwas aus dieser Welt mitzubringen. Etwas wollte mich aufhalten und erst, als ich mein Andenken zurückgelassen hatte, konnte ich zurück in die reale Welt gehen und die Bestie würde ich so schnell nicht wieder entfesseln wollen. Ich legte die Pistole zurück an ihren Platz und wollte gerade gehen, als ich eine Bewegung in einem der Monitore wahrnahm. Mein Blick fiel auf Monitor Eins und als ich sah, wer da über den staubigen Boden marschierte, stockte mir der Atem…
     
     
    Ka pitel 36
     
     
    Wolf drehte auf dem Absatz herum und rannte zurück zum Dezernat. Er raste direkt auf Mick zu und kochte vor Wut.
    „Er hat uns verarscht. Wie hat er das gemacht?“
    Mick war fleißig bei der Sache und schlug ohne Einhalt auf seine Tastatur ein, schließlich blickte er auf und senkte die Schultern.
    „Ich habe keine Ahnung. Dieser Kerl hat seine Spuren gut verwischt. Das Leichenschauhaus war nur eine Etappe von unzähligen. Wir wissen nicht annähernd, wo er sein könnte.“
    „Heißt das, er ist uns wieder entwischt?“
    „Ich fürchte ja.“
    „Schei…“
    „Sagen Sie es nicht“, meinte der Chief und klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. „Ich weiß, wir gewinnen nicht immer,

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