Im Spiegelbild der schwarzen Spinne (German Edition)
schlotternden Beinen lag ich auf dem Bett und rang nach Atem. In den letzten aufreibenden Tagen meines Lebens war ich beinahe angstfrei gewesen, doch jetzt kam alles wieder hoch. Es war, als hätte sich meine Angst angesammelt, gebündelt, um jetzt mit geballter Kraft zuschlagen zu können. Es kam über mich wie ein Strahl negativer Energie, der sich in Sekundenschnelle in mir ausbreitete. Ich lag da und spürte das wilde Stakkato meines Herzschlags, ich sah nur verschwommen und meine Haut kribbelte überall, als wäre meine gesamte Schale eingeschlafen. Der Spiegel im Bad hatte mich voll erwischt. Mein Zittern, einem Schüttelfrostanfall gleich, wollte nicht aufhören. Ein Gefühl der Trostlosigkeit machte sich breit, als wäre bereits alles verloren. Ich wollte wirklich dagegen ankämpfen, doch ich schaffte es einfach nicht. Es war stärker, als alles, was ich bisher an Ängsten in meinem Leben verspürt hatte und ich war wie gelähmt. Jetzt, in diesem Augenblick wäre der Tod eine reine Erlösung für mich gewesen. Ich bekam nicht einmal mit, wie mein Bewacher die Tür aufschloss und eintrat. Unwirklich sah ich ihm direkt ins Gesicht, als er über mir stand und mich fragend anglotzte. Doch nahm ich ihn zunächst überhaupt nicht wahr. Erst nach einer Weile wurde ich durch seine Stimme aus meiner Lethargie gerissen, als er fragte:
„Was ist los mit dir?“
Mit zittriger Stimme keuchte ich nur: „Durst“
Das war wohl auch der Grund seines Besuchs, erst jetzt sah ich, dass er eine Flasche Wasser in der Hand hielt. Verzweifelt beugte ich mich vor und riss ihm die Flasche aus der Hand.
„Hey, nicht so gierig“, sagte er und machte sich aus dem Staub, weil ihm im Grunde scheißegal war, wie es mir ging. Solange ich noch zuckte, steckte wohl noch Leben in mir und er war beruhigt. Diesmal dachte ich über eine Wasserrationierung gar nicht erst nach, ich steckte mir die Flasche in den Hals und ließ es laufen bis der halbe Inhalt meinen Kreislauf abkühlte. Währenddessen dachte ich an meinen Bruder, der sicher verzweifelt nach mir suchte und rechnete mir aus, wie gering die Chance stand, mich zu finden. Inmitten dieser kochenden Wüste würde mich niemand finden, doch die Tatsache, dass ich noch lebte, sagte mir auch, dass noch Hoffnung bestand, denn Wolf würde sicher die Gelegenheit bekommen, über einen Tausch gegen das Kokain nachzudenken, schließlich war ich ja in meiner Eigenschaft als Druckmittel hier.
Die enorme Kraft meiner Panikattacke verlor endlich an Inte nsität und ich konnte wieder klar denken. Wieder kam mir der große Badezimmerspiegel in den Sinn und ich fragte mich, ob ich das Haus nicht von der anderen Seite aus inspizieren sollte, um mich neu zu orientieren, schließlich standen mir auf der spiegelverkehrten Seite alle Türen offen. Es wäre sinnvoll, meine schizophrene Einbildungskraft einmal zu meinem Vorteil zu nutzen, schließlich war mir völlig klar, dass der Spiegel zwar der Auslöser meiner Panik war, ich dennoch keine Angst vor dem Spiegel per se hatte. Nachdem mich das Wasser, respektiv die innere Abkühlung etwas beruhigt hatte, stellte ich mich auf die Beine und prüfte meine Standfestigkeit. Es schien eine gewisse Stabilität zustande zu kommen, meine Beine waren nicht mehr weich wie Pudding und ich ging ein paar achtsame Schritte vorwärts. Mit jedem Schritt spürte ich ein wenig mehr Sicherheit, bis ich endlich im Badezimmer ankam und den Spiegel anstarrte. Die halb volle Flasche Wasser, die ich immer noch in der Hand gehalten hatte, glitt mir augenblicklich aus der Hand. Oh, wie gern würde ich nun Frau Doktor Senfling anrufen. Dieser Spiegel machte mir doch mehr Angst, als ich zunächst vermutet hatte, er schien nach mir zu greifen. Offensichtlich war er nicht nur Auslöser meiner Attacken, ich hatte mich geirrt. Mir war völlig klar, dass derlei Ängste meine Situation nicht verbesserten, dennoch schüttelte es mich wieder. Meine Beine drohten einzuknicken, wurden immer weicher, ich ging in die Hocke und stützte mich am Boden ab. Mein gesamter Metabolismus schien zusammenzubrechen, ein Kartenhaus im Wind, nein, hier herrschte ein regelrechter Orkan. Ich kippte rücklings zu Boden und lehnte mich mit dem Rücken an die Wand, während mich der Spiegel auslachte. Die Wasserflasche rollte über die Fliesen und blieb direkt vor dem Spiegel liegen.
Die Betriebsamkeit meiner Einbildungskraft steigerte sich i mmerzu, ich starrte auf den Spiegel und zitterte am ganzen Leib. Dann
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