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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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die Geräusche, Elektrosound, »das war, weil …«
    Zisch macht das Bier, Kronkorken mit Wernesgrüneremblem, in der Sonne funkelt alles, immer im Kreis, Metall, Straßenbahnen quietschen in den Kurven, Tausende Arbeiter strömen in die Fabriken, aus den Fabriken, während der Alte trinkt mit geschlossenen Augen, neunzehnhundertvierundsechzig, Sonnenfinsternis neunzehnhundertneunundneunzig, »und weil die doch alle zu sind jetzt, dichtgemacht und …, ahhhh, mein Gott, tut das gut, stampft das nicht mehr, klingt das anders jetzt, und Güterzüge sind doch auch nur noch selten und leer, wenn überhaupt.« Was quatscht der Alte nur für einen Blödsinn, denkt die Frau, seit dreißig Jahren, wenn’s wo stampft, dann in seinem Kopp, nicht dass er mir senil wird, und sie geht nach drinnen, wo die Küchenuhr tickt. Der heißeste Sommer seit zweitausenddrei … badadadamm … kauft … zweiundneunzig Komma , ein Bulle schläft über der Bildzeitung, unten vorm Haus, Zivilbulle 1, Golf 2, Kopf auf der Brust, »Bild« aufm Lenkrad, Annoncen neben der lokalen Sportseite, FO machen jetzt die meisten, am Knochenplatz um die Ecke soll’s ’ne neue Lieferung geben, die Fixer machen sich dünn bei achtunddreißig Grad, und Kristall regiert die Stadt, der Bulle 2 trinkt Cola Zero und überfliegt die Annoncen, was die wohl mit FF meinen?, ping, ein Kronkorken auf der Motorhaube, zu faul zum Aussteigen, Radio dudelt, was, verdammt nochmal, ist KB? »Heh, sag mal, du weißt doch bestimmt, was KB bedeutet, und FF, hörst du, KB!«
    »Lass mich in Ruhe mit HB, F6 kann ich dir sagen.« Er wischt sich den Sabber vom Kinn, da bin ich wohl kurz weggenickt. Früher gab’s Hitzefrei bei solch einer Demmse.
    »Weiß ich doch selber. Wegen der F6, also der Fernverkehrsstraße, weil dort die Tabakfabrik stand, in Dresden.«
    »Ja, ja. Wer wird Millionär. Dresden hin, Dresden her, Chemnitz och nichts mehr.« Er streicht sich über die Glatze. »Ein kaltes Bier, ein kaltes Bier.« Er steigt aus und blickt an der Häuserfront nach oben. Sieht einen bunten Sonnenschirm, der im dritten Stock über die Balkonbrüstung hängt. Er fährt mit der Hand über die heiße Motorhaube, spürt den winzigen Kratzer, den der Kronkorken gemacht hat. Er blickt rüber zum Taxistand. Der kleine Flachbau mit dem Imbiss ist leer seit ein paar Tagen. Dabei müsste das doch laufen jetzt im Sommer. Bei der Hitze macht’s ihm gar nichts mehr, dass er aufgehört hat zu rauchen. Da fehlt der Appetit. Das legt sich nur aufs Herz mit dem Ozon. Er sieht, wie eine Frau über die Straße rennt, direkt zum ersten Taxi in der Schlange der sieben, acht Autos, er zählt. Sind sieben. Er blickt auf die Uhr. Clock drei. Sie steigt ein. Hinten. Große blonde Frau. Sehr groß. Hohe Schuhe. Sehr hoch. Schöne Titten. Sehr schön. Sehn aus wie gemacht. Sie fahren.
    »Hol mal den Grill raus.«
    »Du willst doch nicht bei dieser Hitze grillen! Das zieht wieder alles in die Wohnung.«
    »Wir können doch runter auf den Hof, da gibt’s mehr Schatten.«
    »Ich mach keinen Schritt mehr heute.«
    Das Taxi kommt zurück. Stellt sich hinten an. Wie die Zeit vergeht. Und die Sonne wandert. Er beobachtet die beiden Bullen, die immer noch drüben vorm Haus in der Sonne stehen. Keine Bäume, kein Schatten, und die Sonne wandert schnell.
    »Wo dieser Penner bleibt?«
    »Steig mal wieder ein. Stehst wie ’n Bauer am Schießstand.«
    »Als ob unser Kai was mitkriegt. Hab gehört, ist wieder Kleinmesse gerade. Würde gern wieder mal hin mit meiner Tochter.«
    »Du bist ja ’n richtiger Insider! Fährste nicht jeden Tag dran vorbei?«
    »Nee. Wenn ich fahre, nehme ich immer die 7 an der Rennbahn vorbei.«
    »Die 6.«
    »Kennste denn nicht den Spruch mit der 7?«
    »Nee.«
    »Na dann.«
    »Erzähl mal.«
    »Nee.« Er steigt wieder ein. Lässt die Tür offen. Er beugt sich zur Rückbank und nimmt eine Flasche Wasser. »Gib mir mal ’ne Cola«, sagt Bulle 2 zu Bulle 1.
    »Bitte!«
    »Bitte.«
    »Cola Zero?«
    »Siehste ’ne andere Cola?«
    »Wie kannst’n das Zeug bloß trinken, ist das pure Gift.«
    »Danke, Genosse. Gift? Wie kommst’n auf den Scheiß?«
    »Ja, was denkst du, was da drinnen ist. Das ist wie bei den Light-Zigaretten.«
    »Ist aber nicht light, ist Zero.«
    »Noch schlimmer. Zuckeraustauschstoffe. Chemie und Gift. Ich kannte mal einen, der hat R1 geraucht, immer nur R1 …«
    »Steffen vom schwarzen Block?«
    »Steffen von der Abteilung Hooligan.«
    »Also, ich krieg

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