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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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andere immer weiter zerkleinert, in die Kanalisation gepresst. Vielleicht war es schon ein Fehler, das Bein hierzulassen. Aber es war zu spät. Die Spuren waren da. Die Taschen der Sportjacke sind leer. Er erinnert sich, dass der Mann oben im Büro noch einen Mantel hängen hat. Er geht zu der anderen, kleineren Tür, öffnet sie …, und als er durch die dritte Tür, oberhalb der kleinen metallenen Stiege, tritt, in den Lagerraum 2, in dem er Putzmittel und Schrubber und Besen und Kisten mit Klosteinen und stapelweise Scheißhauspapier aufbewahrt, hört er sofort wieder die Musik, glaubt, auch die Stimmen und Schritte zu hören, das Lachen der Mädels, das Knistern der Scheine, das Klirren der Gläser. Er schließt die dritte, unscheinbare Tür hinter sich, muss sich bücken, so niedrig ist dieser Ein- und Ausgang, manchmal denkt er, dass jeder weiß, dass es dieses da unten gibt, das er neunzehnhundertvierundneunzig entdeckt hat, und dass jeder weiß, was er da unten treibt, aber er bastelt ja nur, pflegt seine Sammlung, sitzt nach Feierabend lange dort, um seine Ruhe zu haben, lauscht in die Stille, trinkt ein Glas Cognac, während er an seiner Eisenbahn bastelt oder seine Sammlung pflegt und begutachtet. Eisenbahn und Waffen, die Geschichte der Moderne. Er geht ins Büro, das einen direkten Zugang zum Barraum hat. Er sieht den Mantel, Drykorn, wie er später feststellt, eine ganz gute Marke, so könnte auch ein Schnaps heißen, fein säuberlich über die Stuhllehne gehängt. For beautiful people . Zwei Gläser noch auf dem Schreibtisch. Hatte er ihm nicht erst unten den »Springer« angeboten? Er kriegt die Geschehnisse der letzten anderthalb Stunden nur noch schwer zusammen.
    Er nimmt den Mantel, wühlt in den Taschen, den Seitentaschen, den Innentaschen. Findet das Formular einer Zimmervermietung. Ein Schlüsselbund mit drei großen Schlüsseln und zwei kleineren, einer sieht aus, als ob er zu einem Fahrradschloss gehört. Findet Taxiquittungen, eine ist von heute. Hat dieses Arschloch nichtmal ein Auto? In einer kleinen Innentasche, die er nicht sofort erfühlte, als er den Stoff abklopfte, findet er dann ein kleines Portemonnaie. Rosafarbenes Leder. Willst du mich verarschen? Er setzt sich hin, schiebt die beiden leeren Gläser auf der Tischplatte hin und her. Ein Ausweis mit dem Foto eines anderen Mannes. Der denselben Namen trägt, den ihm sein Bullenkontakt nannte.
    Das Anmeldedatum vor über zehn Jahren. Das Foto sicher noch älter. Hochgegeltes Haar. Der Mann da unten hat nur noch kurze graue Stoppeln. Hans rechnet. Er ist sieben Jahre älter. Aber, verdammt nochmal, besser in Schuss. Spar dir die Wortspiele, Arschloch . »Was?«
    Er geht zum dicken Klaus und sagt ihm, dass er nochmal kurz wegmuss, aber bis Feierabend wieder da ist. »Wenn was sein sollte, ruf an.« Sieben, acht Gäste sitzen an der Bar. Zwei kennt er, die waren schon oft da. Dafür, dass die Stadt in manchen Nächten explodiert, läuft es ganz gut. Ist aber auch eine Messe zurzeit, Sanitär? Er kann sich nicht erinnern, obwohl er genau weiß, wann welche Messe ist. Mandy mixt. Er muss demnächst die Bewerbungen durchgehen, er braucht eine feste Barfrau. Sie wechseln sich zwar ab, aber er braucht die Mädels für die Zimmer. Die Studentin für die Aushilfe hat sich krankgemeldet. Verdammtes Chaos. Er geht kurz an den Tresen, denkt dann aber daran, dass er noch fahren muss.
    »Alles in Ordnung, Mandy?«
    »Alles gut, Hans.« Er braucht eine feste Barfrau, verdammt nochmal, so schnell wie möglich. Mandy müsste sich zu den Gästen setzen. Am besten eine Marke Milf, zuverlässig, erfahren. Ohne aufs Zimmer. Die fünf Mädels haben alle Hände voll zu tun. Ordern Prosecco oder Rotkäppchen. Sitzen zwischen den Gästen, beugen sich links, beugen sich rechts. Die kleinen Proseccobüchsen kann er nicht leiden, ist aber der Trend. »Gib mir mal ’n kleinen Johnnie Black.«
    »Gerne doch, Hans.« Er hat das Gefühl, er ist in diesem bescheuerten Computerspiel, das er manchmal auf seinem Laptop im Büro spielt. »Der Rotlicht-Manager«. Ein Billigding, das ihm vor ein oder zwei Jahren AK zu Weihnachten geschenkt hat. Mit ’ner Flasche Johnnie Black. Immerhin. Es gelingt ihm fast nie, das Chaos dort zu verwalten. Entweder er organisiert die falschen Mädels, die zu alt oder zu billig sind, oder er vergisst die Reinigungsfrauen, oder er spart an der Tür, was das Personal betrifft, obwohl er es doch in der Wirklichkeit kann, seit so vielen

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