Im Stein
lang, drei Beine dicht nebeneinander. Er passt auf, dass er nicht an die Plane kommt mit den Füßen. »Hätte ich denn rumerzählen sollen, dass ich Gärtner bin und doch kein Schlachter? Was meinst du, Kamerad? Die hätten doch nur blöde Sprüche gemacht. Schweine-Hans, der kann’s. Ist doch nicht schlecht. Aber Hans der Gärtner? Nee. Und bestimmt hatten da immer ’n paar Angst, dass ich sie zerlege. So wie dich jetzt.«
Er zündet sich eine Zigarette an. Das Bren hat er wieder in die Kiste gelegt. Ihm ist schlecht, und er fühlt sich leicht. Vollkommen leer. Als wäre sein Körper ein länglicher Luftballon, nur seinen Kopf und sein Hirn kann er fühlen. »Du bist doch selber schuld. Du blödes Arschloch. Ich kann nur mein eigenes Ticket bezahlen. Du kannst nicht einfach hierherkommen und mir alles kaputtmachen. Wie hast du dir das vorgestellt? Kommst hierher und willst mir alles kaputtmachen. Weißt du, was mir immer am wichtigsten war? Dass ich meine Ruhe habe. Ich wollte nur in Ruhe meinen Laden führen. Bald wird hier eh alles anders. Und jetzt will ich mir meine Rente verdienen, und du kommst hierher und machst mir alles kaputt.« Die Augen des Mannes sind aufgerissen, die Augäpfel verdreht, so dass nur das Weiße und ein kleines Stück der Pupille zu sehen ist, er blickt nach innen in seinen Kopf. Der Mund ist leicht geöffnet, als hatte er noch etwas sagen wollen. Er berührt mit den Fingerspitzen das Gesicht, streicht langsam über die Bartstoppeln, legt die Hand auf die Haare des Mannes. »Du und ich. Wir haben’s versaut.«
Er steht auf, wirft die Kippe weg, stolpert gegen die Wand, tritt in seine Kotze, dünn und gelb, er hat seit dem Nachmittag nichts mehr gegessen, er lehnt an der Wand, setzt sich dann wieder hin. »Tut mir leid, dass ich dich zerschneiden muss, aber ich muss dich ja irgendwie hier wegkriegen. Ich glaub nicht, dass ich dir den Kopf abmachen kann.« Er lacht und spürt, wie ihm wieder die Suppe hochkommt. Er atmet tief ein und wieder aus, blickt ins Licht der Neonröhren an der Decke. Wenn er den Kopf ein wenig dreht, sieht er den Fuß, der mit den Zehen nach unten auf seiner Eisenbahnplatte liegt. Er steht auf, nimmt das Tuch, unter dem er das Geld deponiert hatte, wickelt das Bein darin ein. Es fühlt sich kalt an. Unter der Plane sieht er wie durch eine Milchglasscheibe die Schienen, die kleinen grünen Berge, die Häuser und Bahnhöfe. Er nimmt das eingewickelte Bein ganz vorsichtig in beide Hände, geht zur Stahltür, die in die tieferen Keller und Katakomben führt, legt den großen eisernen Riegel um, öffnet die Tür, während er das Bein unter den Arm klemmt. Er geht nochmal zurück und holt seine Maglite-Taschenlampe. Langsam läuft er durch den dunklen Gang, der vollkommen leer ist, der Strahl der Taschenlampe vor ihm auf dem Boden.
Als er zurückkommt, ohne das Bein, scheint es ihm, der Mann hätte sich ein Stück bewegt, wäre einen oder einen halben Meter Richtung Stahltür gekrochen, als wollte er seinem Bein folgen. Der Oberkörper ist von der Plastikplane heruntergerutscht, die jetzt plötzlich zerknittert ist wie ein ungemachtes Bett, unter der Plane sieht er das Blut auf dem Steinboden, dunkle Flecken. Er legt den Riegel wieder vor die Tür, schließt zusätzlich noch ab. Er muss den Körper zum Hintereingang schleppen, dort wird er sein Auto hinfahren. Die blutige Hose des Mannes liegt auf der Eisenbahnplatte, auf der eben noch das Bein lag. Hans greift in die Taschen, findet eine Kette mit einem weiß-schwarzen Stein, ein Hühnergott.
Er steckt sie ein. Als er sich neben den Mann hockt, um die Taschen der Sportjacke zu durchsuchen, sieht er, dass die weiße, etwas zu große Unterhose vorne feucht ist. Er versucht, nicht auf den schwarzroten Beinstumpf zu schauen. Die Ratten werden sein Bein fressen. Und der Knochen? Aber wer soll das dort unten finden. Er hatte auch überlegt, den ganzen Mann dort hinzuschleppen. Aber das würde anfangen zu riechen. Der Gestank der Verwesung musste schrecklich sein. Und er war sich nicht sicher, ob nicht hin und wieder, in den Wintermonaten vielleicht, Penner irgendwo in den verzweigten Gängen und Kellern hausten. Was hatte er sich gedacht, als er das Bein abtrennte, als er den ganzen Körper zerlegen wollte? Ihn Stück für Stück entsorgen? Er hatte einmal einen Film gesehen, in dem hatten sie einen Körper komplett verschwinden lassen, ihn zerlegt und ausgeweidet. Die Gedärme in die Kanalisation gepresst, alles
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