Im Stein
Hand liegt zwischen ihren Beinen auf dem Boden. Er ist so müde, dass er an ihrem toten Körper einschlafen könnte. Oh, mein Dornröschen.
Er durchsucht die Kaschemme. Hat sich den Handschuh wieder angezogen. Die beiden kleinen Zimmer. Das Bad. Ob sie für das Arschloch angeschafft hat? Er findet ein Tütchen mit Kristall. Ein anderes mit H. Er schmeißt beides ins Klo und spült. Er hebt sie hoch. Wie leicht sie ist. Müde bin ich, geh zur Ruh .
Er legt ihren Arm um seine Schulter, schiebt seinen Arm unter ihre Achsel, schleppt sie zur Tür.
Den Schlüssel nimmt er mit. Steckt ihn in die Manteltasche, wo er auch das Handy des Typen hat. War ausgeschaltet. Er findet kein anderes Telefon in der Wohnung. Er weiß, wer die Bude vermietet. Der wird alles leer räumen. Nur ein paar Klamotten in dem Schrank. Ein Bett, ein Tisch, zwei Stühle. Ein Campingkocher in der Küche. Mit Gasflasche. Paar leere Tetrapacks, Milch, Wein, Saft, ein angeschnittener Laib Brot. Butter, die schon gelb geworden ist. Vielleicht sollte er die Kleine hierlassen. In das Bett legen. Zudecken. Ihre Augen öffnen sich plötzlich, er legt seine Hände mit den Lederhandschuhen um ihren Hals, dann nimmt er ein Kissen, drückt es auf ihr Gesicht, lehnt sich auf das Kissen, aber er spürt keine Bewegung. Eine Reisetasche mit schmutziger Wäsche neben dem Bett.
Er fährt. Weite, schneebedeckte Felder links und rechts. Er schüttelt den Kopf. Da bin ich wohl kurz weggenickt. Die Straßen sind leer. Die Lichter des Flughafens. Er biegt ab. Er spürt die Stadt hinter sich. Der Himmel wird heller. Ein Dunkelblau am Horizont. Er schaut in den Rückspiegel, hat das Gefühl, er würde rückwärts fahren, schaltet runter in den dritten Gang und weiß nicht, warum, er sieht die Explosionen des Bren in seinem Rückspiegel, er schaltet wieder in den vierten, ein dunkelrotes Glühen vor ihm, ein dunkelrotes Glühen hinter ihm, er macht das Radio an, er redet seit einigen Minuten und weiß nicht, was er redet, »Oh ja, oh ja, nun geht das alles seinen Gang, Brüder, zur Sonne, zur Freiheit«, er schüttelt sich, raucht, Werbung, er dreht den Sender weg, Musik, Stimmen, Info-Radio, rund um die Uhr, auf zweiundneunzig Komma ba-da-da-damm kauft … , bald kommt der Winter, was soll er machen, er muss nach Berlin, er muss hier weg, langfristig gesehen, Brüder zum Lichte empor, die scheiß Alimente fressen ihn auf, kaum jemand weiß, dass ich ’ne Tochter habe, man hat so seine Träume, nicht wahr? Wir sind die Moorsoldaten und ziehen mit den Spaten, ins Moor, ins Moor.
Da flüstern sie hinter ihm im Kofferraum. An der Baustelle hat er nochmal kurz angehalten. Wir brauchen Ballast. Wäscheleine hat er in der Wohnung gefunden. Ich habe einen Plan! Mächtig gewaltig, Egon . Jetzt kommt mir bloß nicht mit der ollen Olsenbande. Kennt doch kein Schwein mehr heute. Habe ich als Kind immer gesehen. So alt biste doch nicht. So jung biste doch gar nicht. Du siehst müde aus, Mädchen. Wir waschen dir die Haare zum letzten Mal, wir legen deinen kleinen Kopf ganz vorsichtig in die Dusche rein. So weich. Wohin führt die Spur? Die Spur führt zurück. Nein, Unsinn. Wir fahren, wohin wir fahren. Du siehst müde aus, Arschloch. Und sie flüstern im Kofferraum, und er redet und redet. Man muss funktionieren. Weitermachen. Ist ja wohl klar. Die Renten sind sicher. Müde bin ich, geh zur Ruh, schließe meine Augen zu. Du, mein Vater, hab gut Acht, auch auf mich in dieser Nacht.
Und dann ist da plötzlich eine Stille und eine Kühle, in ihm, hinter ihm, vor ihm, er öffnet das Seitenfenster, atmet die kühle Morgenluft, sein Atem dampft, er blickt in die Dämmerung hinterm Wald, und er weiß plötzlich, dass alles gut werden wird.
Sag beim Abschied leise Servus
I
Ich habe kein Auto. Jeden Morgen fahre ich mit der Straßenbahn und steige einmal um. Ich habe schon oft überlegt, ob ich den Führerschein mache. Aber ich bin jetzt dreiundfünfzig und weiß ehrlich nicht, ob ich das hinkriege. Ich könnt mir’s zwar schon irgendwie vorstellen, dass ich das noch lerne, aber mein Mann hatte früher auch keinen Führerschein, das war ja nicht ungewöhnlich in der DDR, dass man nicht Auto fuhr. Auch dass man ewig und Jahre warten musste, bis das Auto dann da war. Mein Mann, also mein Ex-Mann, der hat den Führerschein Mitte der Neunziger gemacht, da waren wir noch verheiratet. Manchmal denke ich, dass er dann so viel mit dem Auto unterwegs war, und das war ja wegen seinem neuen
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