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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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Sofort. Ich leide nicht, und ich denke auch nicht allzu viel darüber nach, dass es da so seltsame Damen gibt, die keine Ahnung haben, aber immer sowas behaupten, wie es wäre. Undsoweiter.
    Einige von den jungen Mädchen ticken ganz anders. Was den Profit betrifft. Schnelles schönes Geld und schnell wieder raus. Ich brauche keine dummen Sprüche. Von niemandem. Wenn ich in meiner kleinen Wohnung verschwinde, verschwindet alles andere, verschwindet alles, was auf Arbeit war. Man darf nur keine Illusionen haben. Natürlich habe ich Träume. Aber die behalte ich für mich.
    Wenn ich so auf den alten Hafen blicke, erinnere ich mich, dass es wohl mal einen Mann hier gab, der hatte einen Traum, das Ding auszubauen, aufzukaufen, den nannten sie den Bielefelder, und manche nannten ihn den Graf, warum, kann ich nicht sagen, dem gehört die Burg am anderen Ende der Stadt, wo ich nicht arbeiten will, weil ich mal in einer ähnlichen Burg in Hannover war. Da wohnen Vögel oben unter den Dächern. Die ich sehe, wenn sie aufflattern. Wer hätte das bezahlen sollen? Ich höre die Menschen unten auf der Straße. Ich warte. Ich rechne jeden Tag und denke: Gebt mir euer Geld, ihr Narren.
    Nur noch kurze Zeit, dann nach Hannover, und dann ist Schluss.
    Ich bin die gute geile Mutter unter dem jungen Volk. Ich blase ohne, ich schlucke, wenn das Geld stimmt, und ich erwarte dich in Leder, wenn du das willst. Meine Löcher sind offen für dich. Kaputt bin ich nicht. Ich warte. Ich schnall mir den dicken Schwanz um, wenn du das willst, und auch meine Titten kannst du ficken. Dein Saft läuft aus meinen Haaren, läuft aus meinem Mund. Du kannst mir den Arsch aufreißen, ich nehme deine Eier in meinen Mund. Du zahlst hundertzwanzig die Stunde, all inklusive. Und fünfzig für den Quickie, wenn ich an der Wand stehe. Ich bin deine Mutti, wenn du es willst. Ich spuck dir deinen Saft in deinen Mund, wenn du das willst. Schlag mir auf den Arsch, wenn du willst. Und ich bepisse dich, wenn du das willst, in meiner Badewanne. KV gibt’s bei mir nicht, da musst du in die 53 zur Janine. Du kannst mich auch streicheln. Und du kannst mich küssen. Im Bad steht das Mundwasser. Du kannst dich an mich schmiegen, weil deine Mutter böse zu dir war. Du kannst mich auch bestrafen, ich bin leicht devot, wenn es dir danach ist und du mich dafür bezahlst.
    Zungenanal gibt es bei mir nur passiv. Aktiv in 53, ist selten, ist eine Goldgrube, aber ansonsten: Du darfst, du darfst, wenn du vorher zahlst.
    Und ich sehe das Geld auf meinem Konto, das ist zwar nicht in der Schweiz, aber sicher genug. Ich sehe es wachsen. Sehe genug andere, die alles verschwenden wieder.
    Ich bin auf dem Sprung. Und ich tanze. Wer hätte das gedacht. In Wien war ich damals allein. Ich bin froh, dass ich keine Kinder habe. Wo da draußen doch alles kaputt ist. Vor fast dreißig Jahren, in Wien. Ich schweige lieber. Hab viel zu viel erzählt. Aber als ich mit ihr tanzte. Diese Ostpocke. Wo ich seit Jahren unter den Ostpocken lebe. Das werde ich nicht vergessen. In den Jahren, die mir noch bleiben. Den guten Jahren. Den arbeitsamen. Wie wir da Walzer tanzten und die Tische verschoben. Wie ich sie da führte. Diese unglaubliche Frau. Die Arme auf den Schultern. Das Café fast leer. Immer Walzer, Walzer in der Endlosschleife. Wie wir da tanzten. Und wie sie zu mir sagte, wie großartig ich bin. Das war besser als in Wien. Wo ich so allein herumirrte, Mitte der Neunziger, und ich sage, du musst dein Bein mehr an meinem orientieren. Und ich sage gar nichts mehr, weil sie’s schon begreift, wie sie da mitgehen muss. Und sie hat’s auch recht schnell raus, wie wir beide den Walzer tanzen müssen. Der Schwung, das war fast, als wenn wir schweben würden. Dass die Leute da guckten, war ja klar.
    Und plötzlich war die Musik aus. Und die spielten so ein Rausschmeißer-Stück. Wo sie es fast raushatte. Wo sie so weit war, dass sie mich führen konnte. Und wir tanzten noch eine Weile in der Stille, in dem leeren Café. Das müssen zehn Minuten gewesen sein, von Anfang bis zum Ende. Das haben die bestimmt noch nicht gesehen, zwei feine alte Damen wie uns, reife Damen, feine Damen, die ihr endloses Walzerkonzert …, und wir schwebten durch diese barocke Gründerzeit- oder wie auch immer Stube. Und dann dieses Genuschel aus den Boxen zum Schluss. Da waren wir kurz davor, ein richtiges Fass aufzumachen, wir beide. Auch mal ein Glas zu schmeißen. Weil doch unsere Haare und Köpfe sich berührten.

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