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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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der ihr hörig war. Und sie wiederum mir. Auch wenn die Claudi mir heute ordentlich den Kopf wäscht, wenn sie das hört. War ja auch alles kein Wolkenkuckucksheim, lief aber. Bei ihr, bei den Mädels und bei mir. Klar, vor allem bei mir. Ich geb’s zu, so richtig anzupacken, so richtig auf Maloche hatte ich nie Bock. Aber da hatte ich dann ’ne Firma, Mitte der Neunziger, über die lief das alles. Was eben darüber laufen sollte. Der Rest ging in cash in die Täsch, wie immer.
    Und dann die große Kaffeefahrt. Der Klaus hatte sich ja schon bisschen rumgehört. Zur Wiedervereinigung waren wir in Erfurt. Die Claudi hat schon recht mit dem, was sie so sagt. Denn das war damals ein einziges Gependel. Große Stadt, Ruhrpott, Provinz, Ruhrpott, große Stadt. Dann mal rüber nach Dresden, wo zwei Kumpels von mir ’n Laden aufgemacht haben. Lief als Bar, Gaststättenbetrieb, aber war ’n astreiner Puff. Na, und nicht dass die da meinen Mädels die guten Mietpreise gemacht haben, nee. Die beiden waren ja selbst astreine Luden. Der Micha und der Samuel G. aus Gelsenkirchen. Heute würde ich sagen, Doof und Doof. Obwohl den ihr Laden da in der Landeshauptstadt ’ne Zeitlang richtig gut lief. Und ich hatte meine Mädels nur ’n paarmal dort am Start. Ging ja auch alles schief dann später, bei Schalke-Sammy und Micha. Scheiß Ruhrpott-Connection.
    Als ich das erste Mal in die große Stadt kam …, na ja, das war schon ’n Schock. Aber irgendwie dachte ich auch, ja, das sieht gut aus. In meiner Erinnerung zog da abends der Nebel durch die Straßen. Grauer Nebel, graue Fassaden. Der Zentralbahnhof wie ’ne schwarze, verfallene Sandburg. Die hatten da überall nur Kohleheizungen, und in dem Herbst, als wir da hinkamen, Frühjahr einundneunzig!, sagt die Claudi immer, aber das ist Quatsch, da war dort alles wie von ’ner Ascheschicht überzogen. Kurz nach dem Ausbruch des Vesuv. Sagte der Kuchen-Klaus damals immer, aber der war der Erste, der dann weg war. Hat dann woanders weitergebacken.
    Auf dem Weg in die große Stadt hatten wir schon an paar Wohnwagen-Magistralen haltgemacht. Thüringen zum Beispiel. Bei Weimar. Ja, die Klassiker. Die Wohnwagenschiene gab’s ja bei uns im Pott auch. War aber nicht meins. Ich meine, wir wussten Bescheid und hatten zwei prima Modelle dabei. Da musste ich mir ’n Mercedes zulegen, weil das an die Corvette nicht dranging. Aber da habe ich dann gedacht, dass da die Holländer die ganzen Bumsmeilen übernommen hatten. Da war Hurenzeltplatz an Hurenzeltplatz. In Thüringen kam man da noch halbwegs rein, wir hatten ja Karate-U. dabei und auch Artillerie unterm Sitzpolster. Wenn’s da Stress gab, gab’s auf die ostdeutsche Murmel. »Nischel« sagen die da. Ich meine, ich komme ja aus der Leichtathletik, aber da ging’s um viel, da ging’s um richtig Kohle und Geschäfte, und da hab ich mich natürlich nicht die Bohne lumpen lassen, da gab’s schon mal ’n Satz heißen Eintopf, wenn ihr wisst, was ich meine, aber die Claudi sagt immer, dass das auf dem Weg in die große Stadt doch alles eher harmlos abging. Weil’s da in den Trailerparks der Huren und Zuhälter relativ international zuging, und damit meine ich deutsch-deutsch. Da standen und parkten sie aus allen Provinzen und Stadtstaaten unseres neuen/alten Deutschlands.
    Und die Claudi sagt, dass man da sogar mal zusammensaß am Morgen der Tage und Nächte und sich beschwatzte, ’n Grill aufbaute, sich austauschte, wie machst’n du dein Geschäft und wie läuft das bei dir und deinen Mädels. Aber ich sag immer, das ist ihr Idealismus Marke Ferienlager, aber auf dem Weg in die große Stadt, das stimmt schon, haben schon Spesen hoch zwei gemacht.
    Jetzt hängen die Italiener in Erfurt, Thüringen, drin, also was man so hört, und wollen da ’n großen Laden à la »Pascha« aufmachen, haben’s vielleicht auch schon, nicht dass mich das interessieren tät, aber klar, dass die Pizzabuden-Connection da auch die Hand drauf haben wollte und will …, die waren ja schon immer in Duisburg und Bochum gewesen, aber gestört haben sie uns nicht groß, da ging’s ja eher um Immobilen und Restaurants und solche Geschäfte, das war eher das Kaliber von dem großen, ach so legendären Bielefelder Kumpel vom Kuchen-Klaus.
    Und als wir da, neunzig oder einundneunzig, ist ja schon gut, Claudi!, mit unseren Wohnwagen und unseren Mädels on board in die große Stadt reinkutschiert sind …
    Jetzt brauch ich mal ’ne kurze Auszeit, ’ne

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