Im Stein
Fuffzehn, wie sie da in der Zone immer gesagt haben, da brech ich doch glatt den »Springer Urvater« an, den ich aus Nostalgiegründen im Keller hab. Eine ganze Kiste hab ich von dem Stoff. Trinkt heut kein Arsch mehr. Hab ich versucht Mitte der Neunziger, als ich mit meiner kleinen Firma nochmal und wieder in die große Stadt kam, den verrückten Ostpocken zu verdealen. Hatte ich nämlich ’ne ganze Wagenladung von. Hat mir mein alter Schulfreund vermittelt. Sechzig Wagen ostwärts. Nee, is’n Film, ’n Western, den hab ich als Kind immer gern gesehen. »Sechzig Wagen westwärts« . Da ging’s um ’ne Riesenladung Schnaps, die mit ’nem Wagentreck durchs Indianerland unterwegs war, weil die Saloons westlich von St. Louis auf dem Trockenen saßen.
Und dass die da alle bekloppt sind, drüben im Osten, war mir sofort klar, als ich gehört hab, damals in der großen Stadt hab ich das das erste Mal gehört, dass die Mitte der Achtziger plötzlich unsere Winnetou-Filme in der Zone sehen konnten. Ja, scheiße! Old Shatterhand und Winnetou. Der große blonde Lex Barker und der schöne Pierre Brice. Zwanzig Jahre nachdem das bei uns lief, also Anfang, Mitte der Sechziger, ich kenn noch die Wiederholungen aus den Siebzigern, standen die da Schlange an den Kinos der Zone. Und waren begeistert von dem alten Schrott. Kann mir keiner sagen, dass das normal ist.
Und in der großen Stadt jedenfalls …, da haben wir erstmal paar schöne Zimmer in ’nem schönen Hotel genommen. Direkt im Zentrum. Blick aufs Zentrum. Recht weit oben. Siebenundzwanzigste Etage, man will sich ja nicht lumpen und so weiter. Direkt am Zentralbahnhof. Und nicht weit weg war der große Umschlagplatz der Wohnwagen, die Allee der schönen Augen, das war so ’ne De-facto-Freihandelszone der Stadt. Will meinen der Stadt-Politik. Kann man sich heut gar nicht mehr vorstellen. Und der alte Randy, also ich, hat damals auch mit großen Augen vor diesem flachen Disneyland gestanden. Da hätt ich mir schon ’n Riesenrad drin vorstellen können. Ein Riesenrad voller Huren. Glitzernd über den Dächern der Stadt, glitzernd und bunt über den Dächern der Wohnwagen. Und da haben wir gesehen, der Klaus aus Bielefeld, der Karate-U. und ich, dass da bereits ein großer Markt am Kochen war. Fleischmarkt würde ich heute sagen. So wie die heute, also jetzt, dort Metamphetamin und sonstwas kochen, aber das ist ’ne andere Geschichte, ’n anderer Markt. Bin ja längst raus, zum Glück.
Na ja, da haben wir da erstmal schnell angedockt. Mit unseren schönen Wohnmobilen, mit unseren schönen Mädels. Haben da auch gleich paar Bekannte und Kumpels getroffen. Aber da war die Stimmung schon verschärft. Lude 12 zu Lude 23: »Fahrt mal lieber nach Hause.«
Karate-U. hatte nach drei Tagen Migräne. Dem musste dann erst sein eigenes Mädel und dann meine Claudi den Nacken frei massieren. Das hatte meine Claudi nämlich besser drauf als dem seine eigenen Mädels. Da hab ich auch gleich gesagt, du, hab ich gesagt, das kostet aber Verdienstausfall. Da haben wir erstmal paar Pullen Schampus gelehrt und uns alle vertragen. Die Artillerie war da schon immer am Mann. Die meisten hatten ’n paar Spritzen dabei. Aber da hat man sich schon zusammengenommen, um nicht die zahlende Klientel zu vertreiben. Trotzdem hat’s dort öfters geknallt. Bumm bumm. Ja, genauso wie’s klingt. Paar Schießereien. An das Loch im Wohnwagen werde ich mich wohl immer erinnern. Man war da und wollte eben nicht so schnell wieder weg. Ich weiß noch, wie die Leute, also die Kunden, die da hinkamen, wie die durch die Gassen der Wagenburg flanierten. Mit großen Augen. Und die Frauen im Spalier. Und wie die Wohnwagen wackelten und das Geld floss.
Und was soll ich sagen, den Osten hatten wir unterschätzt. Da gab’s diesen Typen, der hat die Türen der Ost-Diskos gemacht vor der Wende, der hatte seine Brigade, alte Knochenbrecher aus der Zeit vor neunzig, die hattest du gleich an der Backe, wenn du in der Allee der schönen Augen dauerhaft parken wolltest. O.k., da hat man sich arrangiert. Ein Schein hier, ein Schein da.
Und da haben wir schon auf Augenhöhe verhandelt. O.k. oder K.o. Dass was fließt, ist normal. Aber kommt uns nicht frech. Da haben wir alten Ruhrpottkanacken uns schon versucht zusammenzutun.
Dieser AK, der BWL-Mann, der dann später in der großen Stadt seinen Weg gemacht hat, sein Ding gemacht hat, von dem man heute so viel hört, der hatte damals schon diese Fußballtruppe
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