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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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hinter sich, hat sich aber klugerweise aus diesem Chaos rausgehalten. Hat in Spielotheken investiert und scheinbar gewusst, dass die Stadt dann all den Wahnsinn in der Allee der schönen Augen, den wir nicht so erwartet hatten, verbieten würde. Weg von den Straßen, rein in den Stein. Wohnungen, Immobilien. Die Zukunft.
    Eine Zeitlang ging’s ja gut auf der Straße, der Osten liebte unsere Mädels. Und wir hatten die Artillerie. Und die Erfahrung der Geschäfte. Die Ostpocken hatten die Straßenbrigaden. Und die Jugos, die aus ihrem zerfallenden Staat kamen, wo’s dann später und auch damals schon die Kriege gab, die waren vollkommen hemmungslos. Ja, und der alte Randy mittendrin. Eigentlich heiße ich ja Reinhold, aber man hat mich schon immer Randy genannt.
    Der Osten hat uns ausgespuckt. Und es war nicht so, dass wir nicht versucht hätten, da in ’ner Immobilie mitzumischen. Der Klaus und der U. und ich, wir hatten da schon unsere Kohlen zusammengeschmissen. Da gab’s ’ne alte Mühle am Rand der großen Stadt, da wollten wir einen Puff reinbauen. Dependance Ost. Aber als wir mitten in den Verhandlungen waren, kamen plötzlich die Bullen in unser Hotel, und die wussten genau, wo unsere Artillerie ist. Scheiß Kommunisten-Connection. Eine Knarre in der Minibar. Eine Knarre im Ersatzcowboystiefel.
    Und zack!, warn wir weg aus der Kriegszone.
    Über fünf Ecken kannte ich da einen, der hat’s ’ne Weile ausgehalten in der großen Stadt. Zwischen den Jugos und den Ost-Brigaden. Der hatte ’n kleinen Club. Hat da einiges investiert. Und irgendwann, das muss so dreiundneunzig gewesen sein, da war ich schon längst wieder drüben im Pott, die Mädels auf den Straßen, wie sich das gehört, der Ostblock, also die Russen, Rumänen und diese ganzen Mischbatterien, und die Türken und Araber noch auf dem Weg zur absoluten Kontrolle, der Kuchen-Klaus sagte immer: »Wie wir doch unsere Ausländer lieben, wenn sie doch nur im Ausland blieben«, also was ich sagen will, da traf ich dreiundneunzig diesen Typen, bis zur Halskrause voll mit gescheiterten Plänen war der, in Bottrop in der Bar von meinem alten Schulfreund saß der, und der war so mit den Nerven fertig, der hatte seinen kleinen feinen Club drüben in der großen Stadt aufgegeben. War ein Fall für den Seelenklempner, der gute Mann. Und trotzdem hab ich ’ne Weile gequatscht mit ihm am Tresen. Und ich muss zugeben, dass ich damals, bei den Schüssen in der Allee der schönen Augen, ganz schön zu tun hatte, um mich nicht an meine großen Leichtathletikzeiten zu erinnern. Randy rennt.
    Und da hab ich dem Typen, der mit vollkommen ruinierten Nerven aus der großen Stadt geflohen ist, von Sammy und Micha erzählt, die ich beide ganz gut kannte aus der guten alten Zeit im Pott. Wo wir die Diskos beherrschten und den Mädels die Edelsteine auf die nackte Haut geklebt haben. Um sie dann mit Schampus wieder abzulösen. Randy spinnt mal wieder, sagt die Claudi.
    Die zwei hatten ja in der Landeshauptstadt ihren Puff, ihren Club. Ja, sagt der Typ, ’n Club hatte ich ja auch im Osten.
    In der großen Stadt?
    In der großen Stadt.
    Dem flattern die Hände auf der Theke, wie mir damals die Hände in der Allee der schönen Augen geflattert haben. Das Geheimnis ist, dass das keiner mitkriegen darf. Wenn deine Hände mal wieder so auf mir flattern würden, ruft die Claudi. Jetzt ist aber gut! Ja, ich weiß, dass du die Kohle ranbringst, Baby! Scheiß Rente.
    Aber damals, also dreiundneunzig oder vierundneunzig, erzähle ich dem Typen die Story mit Samuel und Micha. Wie die da in der Landeshauptstadt plötzlich richtig Druck bekommen haben.
    Die einen machen Druck, die anderen haben ’ne Schrotflinte.
    Von heute aus gesehen weiß ich ja, dass die beiden dann wegen präventiver Notwehr freigesprochen wurden. Da haben wir hier die Pullen aufgemacht. Obwohl die alten Zeiten unwiderruflich vorbei waren. Aber das war nochmal ’n kleiner Sieg über den Osten. Oh nein, Randy rennt nicht! Beziehungsweise: OH JA.
    Ich wollte dem Typen ja nur erklären, wie gut er da weggekommen ist. Kann man wie immer so und so sehen. Aber die Nazi-Rollkommandos in der Landeshauptstadt hatten schon ihre ganz eigene Qualität. Weil’s da nicht um die Knochenbrecher-Brigade ging, sondern um die ideologische Knochenbrecher-Brigade. Ja, hallo!, ich bin immer noch der alte Randy! Aber was sind denn das für Assis, denen unser uraltes Geschäft, unser jahrhundertealtes Geschäft, nicht mehr deutsch

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