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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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Zimmer hatten, wo die Mädels die Kunden abmelken konnten: »Macht nicht so dolle, sonst sitzt ihr im Keller mit dem Bett.« Ja, so war das. Ich meine, die richtig großen Geschäfte waren ja damals mit der Treuhand zu machen, wir waren da eher so Marke Handbetrieb. Ein Kumpel vom Klaus, also dem Kuchen-Klaus aus Bielefeld, ist dann später groß eingestiegen in der großen Stadt unten im Osten. Zweihundert Kilometer vor Dresden, da haben die sich in den Arsch gebissen, dass die nicht Landeshauptstadt geworden sind, obwohl die ja mächtig am Expandieren waren, die große Stadt ist ja förmlich verschmolzen mit der Nachbarstadt, da hieß es immer: »Die Million ist das Ziel«, hat sich irgend so ein Arsch dann auch als Slogan sichern lassen, habe ich jedenfalls gehört. Ist ja auch ’n gutes Ziel, war auch mal meins, obwohl die das ja bevölkerungstechnisch meinten. Die Völkerwanderung hat den Osten ja dann an vielen Ecken und Enden ausgeblutet, »Gemeinsam einsam«, aber dort, in der großen Stadt, lief’s komischerweise. Jedenfalls ab Mitte der Neunziger. Und da hat dann der Kumpel vom Klaus, der aber auch die Mittel hatte, der gehörte zu so ’nem Rotlichtkonsortium, sag ich jetzt mal, ’nen großen Laden aufgemacht, ’ne richtige Burg. Marke Eroscenter.
    Aber neunzig, ja, da war das alles noch ein wüstes Land. Das große Chaos nach dem großen Knall. Da haben wir in Bottrop in der Bar von meinem alten Schulfreund gesessen, also die Vereinigung der freiberuflichen Zuhälter, die Landkarten aufm Tresen. Und da waren wir nicht die Einzigen. Da dachten die in Hamburg und München genauso. Dass man da rübermuss, dass man da die Mädels hinkarren muss, nicht nur den Fuß in die Tür, am besten gleich die ganze Tür. Aufbau Ost. Klang alles gut, klang alles einfach. Und der alte Randy war ja schon mal drüben gewesen, Anfang neunzig. Aber mit der zweiten Welle sollte das alles bisschen überlegter starten. Kein Frittenbudenkapitalismus mehr. Ich denke heute noch, dass wir da heute noch die neuen/alten Länder verwalten würden, wenn wir uns richtig zusammengetan hätten. Kein Klein-Klein. Aber selbst so ’ne Type wie Karate-Schwanz aus Bottrop hatte auf einmal große eigene Ideen. Aber dem haben sie dann in Zwickau ziemlich schnell die Eier ramponiert. Es gibt sogar Leute, die sagen, dass er mit seiner einen Uschi, denn mehr hatte er nicht, in Hof hängengeblieben ist, auf ’ner LKW-Raststätte, weil er dachte, da kann er das große Geld machen. Transit, Transit, Import/Export. Nie wieder was von ihm gehört.
    Jedenfalls war das ’ne richtige Goldgräberstimmung damals. Ich war mir mit dem U., also dem Karate-U., und dem Klaus schnell einig, dass wir da mal rüber in die große Stadt machen. Wo die sich immer noch in den Arsch gebissen haben, dass sie nicht Landeshauptstadt geworden sind. Da kann mir ja einer erzählen, was er will, aber die Sachsen, die ticken einfach nicht richtig. Muss mit der Geschichte zusammenhängen. Meinte der Kuchen-Klaus jedenfalls immer. Was die Geschichte betrifft. Und ich glaube, aber das sagte ich ja schon, wenn wir damals gemeinsam und mit allen Truppen zusammen einen auf Napoleon gemacht hätten, die Völkerschlacht wäre sicher zu gewinnen gewesen. Aber o.k., der alte Randy war ja eher einer von der smarten Sorte. Und so sind wir da zu dritt hin. Der Klaus, der U. und ich.
    Das muss so im Herbst neunzig gewesen sein. Vor kurzem wollte mir die Claudi einreden, dass das schon beziehungsweise erst einundneunzig gewesen war. Meistens hat sie ja recht mit sowas, mit Zahlen kennt sie sich aus, sie hat ja auch jahrelang unsere Steuer gemacht, also das, was über der Hand und nicht unter der Hand reinfloss. Den Karate-U. haben sie nämlich paar Jahre später ordentlich verknackt wegen Steuerhinterziehung, Förderung der Prostitution konnten sie ihm dann doch nicht richtig nachweisen. Als wär er ’n Al Capone, den haben sie auch nur wegen der Steuerscheiße drangekriegt. Richtig angefangen mit der Buchführung, also dem Umschreiben von einigen Geldern, habe ich erst Mitte der Neunziger, also was dann die Claudi für mich gemacht hat. Die hatte nämlich ’nen Stammkunden, der war Steuerberater, und das war jedes Mal ’ne Art Schulung nach der Nummer oder den Nummern. Sogar ein richtig hohes Tier, war mal bei der Finanzbehörde gewesen. Der hatte ’ne kleine Dienstwohnung, da hat die Claudi mit dem so manches Wochenende verbracht. Was da an Kohlen reinkam, man kann schon sagen, dass

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