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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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mich schon an. Die wilden Reiterhorden vor den Toren. Mein Degen ist weg, steckt wohl noch in einem von den Arnolds, und ich spüre, dass ich auf zwei Krücken humpele. Und lauter Spiegel an den Wänden, und ich weiß nicht, ob das nur unsere Spiegelbilder sind, einige sind starr und rühren sich nicht, als hätten die Originale schon vor langer, langer Zeit den Saal verlassen, andere drücken ihre Nasen von innen gegen das Glas. Und da muss ich zugeben, da fürchte ich mich, das erste Mal in meinem Traum. Ganz entsetzlich und wie ein kleines Kind. Weil schon die ersten Hände und Füße und Gesichter durch die Spiegel dringen. Na ja, und das war’s auch schon. Bin ich aufgewacht. Und war so froh, dass ich hier bei dir bin. Obwohl, das mit dem Schreibtisch, diesem alten Sekretär, hab ich vergessen, der stand in dem Zimmer, was wohl mein Arbeitszimmer war in unserem Schloss, und wie ich da ein Schubfach aufziehe, und da liegt’n kleiner Mensch drin und meckert mich an, und der hat auch so ’ne große Perücke auf, Barock, natürlich in seinem Maßstab, und weil der nackt ist, sehe ich, dass das ’ne Frau ist. Ich hab ja ’ne Tochter, da brauch ich keinen Freud, die habe ich nicht mehr gesehen, seit sie klein war. Und ich hatte mal ’ne Kleinwüchsige, also die arbeitete in meinem Club …, also ganz klein und winzig war die nun nicht, aber doch schon so ’ne Halbzwergin, und die hat nur kurz bei mir gearbeitet, war ’ne Sensation damals, eine Saison, die wollte sich was finanzieren, wollte sich was aufbauen mit dem Geld und war dann auch gleich wieder weg, nee, lass mal, hab ich mir ausgedacht diese Wahrheit jetzt, und das mit der kleinen halbrunden Steinbank am Waldrand hab ich vergessen, als die Frauen plötzlich überall im ganzen Schloss waren und riesige Reifröcke trugen mit eng geschnürten Hüften, die Reiterhorden waren verschwunden, und nur noch Frauen, als ob denen das Schloss gehörte plötzlich, und wir saßen da wie ausgestoßen auf dieser stillen Bank …, aber da weiß ich nicht, ob …«
    »Hans, heh, Hans!«
    »Ja?«
    »Jemand zu Hause?«
    »Was?«
    »Seit ’ner Stunde sitzt du hier rum und redest mit dir selbst. Alles in Ordnung?«
    »Ja, Liv. Ja, Arnold.«
    »Wer? Du wolltest doch die Finger vom weißen Gold lassen, mein Freund.«
    »Ich sauf nur, Arnold.«
    »Mach doch mal Urlaub.«
    »Hab ich auch vor.«
    »Aber bleib nicht irgendwo hängen, wo die Sonne scheint.«
    »Wie meinst’n das?«
    »Man hört, du willst die große Flatter machen. Hast irgendwo Geschäfte laufen.«
    »Schwachsinn.«
    »Ich brauch dich hier in der Stadt, mein Freund.«
    »Keine Sorge, Volksfürsorge.«
    »Komm, ich ruf dir ’n Taxi.«
    »Hast du auch das ›Mosaik‹ so geliebt, damals? Das gibt’s ja noch, aber ist scheiße geworden.«
    »›Mosaik‹, Hans? Deine Träume möchte ich haben.«
    »Nein, möchtest du nicht.«

Transfer (Bye-bye, mein Ladyboy)
    Champagner zu trinken. Etwas, das ich spät zu schätzen gelernt habe. Sekt, das war üblich. Und man trank schon hin und wieder ein Glas mit den Damen. Aber das machte mir Kopfschmerzen, später. Herzrasen. Zerriss mir den Kopf fast, mein Herz wie ein Maschinengewehr. AK. Seit jenem Jahr, seit jener Nacht im großen Jahr vor den Nullen, konnte ich keinen Sekt mehr trinken.
    Champagner zu trinken. Etwas, das ich vor Jahren noch belächelte, das ich nie zu schätzen wusste, und ich lächelte, wenn der Bielefelder Graf, der uns alle mit seinem blaublütigen Schwindel beeindruckte, die Flaschen mit einem Säbel köpfte. Kein Kopfschmerz, kein rasendes Herz von Champagner. Das wird an der Lagerung und der Herstellung liegen. Edel. Und dunkel. Und herb.
    Die Flasche mit einem Säbel zu köpfen. Etwas, das ich mir jetzt manchmal vorstelle. Wenn ich auf den See blicke und an die Zeit denke, in der ich so viel Zeit haben werde, dass ich die Winterabende am Kamin verbringen kann, Champagner trinkend. Ich habe nicht gewusst, dass ein oberer Teil des Flaschenhalses mit abgeschlagen wird, abgesprengt förmlich von der Wucht des von unten schräg nach oben ausgeführten Hiebes, bis der gräfliche Hochstapler es mir zeigte. Der alte Mann wird mit diesen Tricks die ein oder andere Gesellschaft beeindruckt haben in seinen Jahren, in seinen Geschäften. Weit gereist. Das muss man ihm lassen. Und hier nun, nach fünfzehn Jahren, ungefähr, die Burg verlassen muss. Nun, ich bin sicher, dass er sich abgesichert hat, und ich weiß um seine Anteile an anderen Unternehmen,

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