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Im Stein

Im Stein

Titel: Im Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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kannte ich. Unser Bürgermeister zum Beispiel, nee, der war noch nie in meinem Nachtclub. Aber so ’n paar andere Typen ausm Rathaus, aus der Landeshauptstadt, die sahen alle aus wie August der Starke oder so.
    Und so Leute wie die Brüder W. waren auch da, die haben ’n Stripclub und paar Bars. Und auch so Typen wie Alex, na ja, das führt jetzt zu weit. Und auch Immobilienärsche oder so Wichser von BMW oder Audi. Nee, ich hab nichts gegen die. Na ja. Ist halt Kundschaft. AK und so, die machen öfters mal Geschäfte mit denen. Also Immobilien. Ich wollt ja nie expandieren, und mein Geld anlegen wollt ich auch nicht, wahrscheinlich wär das das Beste gewesen, wenn ich’s mir jetzt so überlege. Stein is ’n bleibender Wert, wenn man’s richtig macht.
    Und später wache ich dann auf, bin wohl kurz weggenickt. Das Saufen und Fressen war ein gewaltiges Durcheinander. Ich weiß nur noch, dass ich da viel, wirklich sehr viel gelacht habe. Also während der Schlemmerei. Und nur AK saß unbeweglich am Kopfende und trank hin und wieder aus seinem großen silbernen Kelch. Und ich bin ganz allein an der langen Tafel. Alles eingesaut inzwischen. Flaschen kaputt, alles aufm Boden, Tischdecke bunt, frag bloß nicht. Möchtest du nicht saubermachen, Liv.
    Und keiner mehr da, auch die Musikanten sind weg. Und ich gehe zu einem der großen Fenster. Und draußen wird’s Abend, ganz seltsames rötliches Licht hinter den Bäumen am Horizont. Weit weg sieht man da ja manchmal alles ganz unscharf. Im Traum, mein ich.
    Und da schwimmen Leute im See. Also Körper. Die scheinen tot zu sein, aber ganz sicher bin ich mir nicht. Lauter bunte Kleider. Und die beiden Schwäne mitten zwischen ihnen. Und ich kann dir nicht sagen, ob mich das wundert oder ob ich Angst hab. Weil ich’s von da oben ja auch nicht so genau erkennen kann.
    Und ich bin dann durch die Gänge gewandert und habe die anderen gesucht. Dass ich ’n Degen oder ’n Säbel am Gürtel hab, habe ich da erst gemerkt.
    In jedes Zimmer schaue ich. Hab ’n Leuchter in der Hand. Die Kerzen flackern. Breite Himmelbetten. Wie durch Nebel sehe ich, dass die da bumsen. Ja, entschuldige. Da kann ich ja nun nichts dafür. Auch wenn’s mein Schloss ist, anteilsmäßig wahrscheinlich. Das verschraubt sich da alles ineinander, ich kann keine Gesichter erkennen. Und wo die Frauen herkommen, weiß ich nicht.
    Aber Lachen höre ich. Irgendwie von weit her. Das Lachen von Frauen. Und ich sag dir, das war ’ne richtige Männerrunde vorher. Und in einem Zimmer sitzt der Graf, also der, der angeblich im wirklichen Leben Graf ist, von Geburt her, sein Vater muss wohl ein Adliger gewesen sein, erzählt man sich zumindest, da sitzt er und redet mit dem Bürgermeister, den ich ja nur vom Sehen her kenne, und andere Typen mit ihm am Tisch, Immobilienfuzzis, in der Ecke steht ein Neger mit einem Tablett, und als ich da reinschaue, sind sie plötzlich still. Und ich kann nicht erkennen, ob da AK mit dabeisitzt. Lauter Goldmünzen auf dem Tisch. Und Papiere, jede Menge Papiere, mit Siegellack drauf. Wie Kerzenwachs. Und paar glänzende Steine.
    Und irgendwie bin ich plötzlich in den Kellerräumen des Schlosses, weiß nicht, wie ich da hingekommen bin, ganz schwerelos ist man ja manchmal, in den Träumen.
    Und da sind die Frauen, und komischerweise ganz viele schwarze Frauen. Und ich war dieser Neger, gleichzeitig mit mir selbst, und hab mich selbst gesehen und in den Raum geblickt, weil ich sehen wollte, ob da AK oder jemand anderes in einer der dunklen Ecken sitzt, ’ne Lesebrille oder so ’n altmodisches Monokel konnte ich nämlich erkennen, mehr aber nicht, wahrscheinlich weil ich meine Brille bei dir aufm Nachttisch vergessen hab, Liv, und ich als Neger und ich als Hans, wir hatten beide kein gutes Gefühl bei der Sache in diesem Raum, also was die da getrieben und verhandelt haben. Aber ich war immer gut darin, mich an meine eigenen Sachen zu halten.
    Die Kellergewölbe sind voll von Frauen. Dichtgedrängt stehen sie da, und alle nackt. Da isses kalt. Wasser tropft von den Wänden. »Nubische Perlen«, sagt jemand hinter mir, aber als ich mich umdrehe, ist da natürlich keiner. Ha, ha, war ja klar. Ja, vollkommen nackt. Und aus anderen Türen kommen die Diener und holen immer wieder einige der Frauen. Ich meine, wenn ich jetzt drüber nachdenke, ich bin ja nicht Freud, und ich hab, verdammt nochmal, ein absolut reines Gewissen. Ja. Und was soll der ganze Scheiß, bei mir ist keiner im

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