Im Strudel der Gefuehle
sich das Land um sie herum erstreckte. »Ishmael, mein Hengst, hat sich bisher um die Sicherheit der Stuten gekümmert. Doch er ist in Ställen und auf umzäunten Weiden groß geworden. Südlich von hier herrscht unberührte Wildnis und das Land ist unzugänglich. Wenn sich die Stuten vom Sturm dorthin treiben lassen, haben wir alle Hände voll damit zu tun, sie dort zu finden. Der Wind ist eisig. Und wenn die Stuten anfangen zu fohlen...«
Willows Stimme erstarb. Ohne eine weiteres Wort stand sie vor dem Fenster und starrte hinaus ins dichte Schneetreiben.
Jessica stellte sich neben sie und legte ihr den Arm tröstend um die Schulter. »Die Männer werden deine Stuten schon finden.«
»Nicht nur die Stuten; auch die Kühe und die einjährigen Stiere. Dieser verdammte Sturm könnte uns um alles bringen, was wir besitzen. Ich wünschte, ich könnte dort draußen bei Caleb sein und ihm zur Seite stehen. Wir brauchen jetzt jede Hilfe, die wir bekommen können. Ich komme mir so überflüssig vor. Ich...«
Willows Stimme erstarb, und sie stöhnte gequält auf.
Zuerst dachte Jessica, daß Willows Stimme von Tränen erstickt war; doch dann wurde ihr auf einmal klar, daß Willow die ersten Anzeichen der Geburtswehen überkamen.
»Wie lange geht das schon so?« fragte Jessica besorgt.
»Der Sturm? Seit gestern nacht.«
»Zum Teufel mit dem Sturm! Wie lange hast du schon diese Schmerzen?«
»Seit Mitternacht; sie kommen und gehen ganz unregelmäßig.«
Jessica schloß für einen Moment die Augen. Als sie sie wieder aufmachte, war ihr Blick klar und ernsthaft.
»Hast du Caleb gegenüber ein Wort davon erwähnt?«
»Nein.« Willows Stimme klang leblos und unbeteiligt. »Meine Mutter hat mir erzählt, daß man beim ersten Kind nie vorher genau sagen kann, wie lange es dauert. Die Wehen können einsetzen und sich dann wieder legen, und das kann ein paarmal hintereinander passieren.« Willow holte tief Luft. »Es ist wichtiger, daß wir unsere Tiere in Sicherheit bringen, als daß Caleb während der Wehen meine Hand hält; das kann Tage dauern.«
Trotz Willows tapferer Worte konnte Jessica den Ausdruck der Beunruhigung in ihren großen, haselnußbraunen Augen erkennen. Sie wäre beruhigter gewesen, wenn ihr Mann in diesem Moment bei ihr gewesen wäre.
»Ist das das erste Mal, daß du Schmerzen hast?«
»Seit fast zwei Tagen geht das jetzt schon so«, gestand Willow. »Aber beim letzten Mal war es etwas anderes.«
»Darf ich?« fragte Jessica und legte ihre Hände auf Willows runden Bauch.
Überrascht nickte Willow.
Eine Weile herrschte Stille, und nur das Heulen des Windes war zu hören.
Je länger Jessica vorsichtig Willows Bauch betastete, desto beunruhigter wurde sie. Das Baby bewegte sich nicht. Wenn sie den Büchern glauben konnte, die sie gelesen hatte, begann auch das gesundeste aller Babys, nachdem es die richtige Stellung für die Geburt eingenommen hatte, sich in den Stunden vor dem Einsetzen der Wehen ganz still zu verhalten.
Genauso wie Babys, die nicht mehr am Leben waren. Diese traurige Einsicht hatte sich jedesmal während der sinnlosen Wehen ihrer Mutter für Jessica bestätigt.
»Sag mir Bescheid, wenn die nächste kommt«, sagte sie mit einer inneren Ruhe, die tiefer ging als ihr Lächeln. »In der Zwischenzeit kannst du ja weiter die Säume an den Kinderdecken vernähen, an denen du gearbeitet hast.«
Es dauerte eine halbe Stunde, bevor Willows Körper von der nächsten Welle von Wehen erfaßt wurde. Sie schaute von der Decke auf, die sie gerade zusammenfaltete.
»Jessi!« rief sie.
»Jetzt?«
»Ja.«
Jessica ließ den Pumpenschwengel los und lief von der Küche ins Wohnzimmer, wo Willow auf dem Sofa saß. Als Jessica ihre Hände auf Willows runden Bauch legte, waren alle Muskeln straff gespannt. Mit einem Stirnrunzeln begann Jessica, sorgfältig den Bauch abzutasten. Sie hatte genug über Frühwehen gelesen, um zu wissen, daß sie selten den Körper einer Frau in solchem Maße beanspruchten. Auch das Baby hatte seine Stellung nicht verändert.
Nachdem sie langsam bis drei gezählt hatte, begannen sich Willows Muskeln zu entspannen.
»Diese Verspannung - hast du sie überall gleichzeitig gespürt?« fragte Jessica und richtete sich wieder auf.
»Es ging hinten im Rücken an und zog sich dann bis nach vorne«, sagte Willow und zeigte Jessica, was sie meinte.
»Kannst du aufstehen?«
»Ohne den starken Arm meines Mannes, um mich hochzuziehen?« fragte Willow mit einem gequälten
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