Im Strudel der Gefuehle
und silbernen Einlegearbeiten schimmerten matt im schwachen Licht des Schneesturms.
Sie schoß dreimal hintereinander in die Luft, wartete einen Moment und gab dann noch einmal drei Schüsse ab. Mit einem heftigen Zittern ließ sie den Karabiner sinken und floh zurück in den Schutz des Hauses. Nach einem kurzen Kampf mit der Tür gelang es ihr, den eisigen Wind auszusperren.
Lange Zeit stand sie allein im Wohnzimmer und bereitete sich innerlich auf das vor, was sie erwartete. Dann machte sie sich an die Arbeit.
Sie achtete nicht weiter auf ihre zitternden Hände, sondern säuberte sorgfältig die Schere, die sie für Näharbeiten benutzte, und wickelte sie in ein sauberes Handtuch. Dann legte sie sie auf den Stapel mit den unbenutzten Decken, die Willow so liebevoll für die Wiege genäht hatte. Bei dem Gedanken daran, noch einmal eine winzige Leiche auf ein Begräbnis vorbereiten zu müssen, überkam Jessica eine Welle der Verzweiflung. Sie hatte die Kleider für das Baby gesehen und seine kleine, liebevoll geschnitzte Wiege. Sie hatte gesehen, wie Caleb strahlte und Willow sich freute, wenn er seine Hand auf ihren Bauch legte und spürte, wie ihr Kind sich bewegte.
Bitte, lieber Gott, mach, daß das Kind lebendig zur Welt kommt!
Der Wind rüttelte am Haus, und ein kalter Schauer überlief Jessica. Eilig holte sie sich ein Buch und einen Stuhl und setzte sich zu Willow.
»Mutter schien es zu helfen, wenn ich ihr vorgelesen habe«, sagte Jessica mit einer inneren Ruhe, die nicht ihren wirklichen Gefühlen entsprach. »Wenn dir das nicht gefällt, kann ich einfach still hier neben dir sitzen, bis du mich brauchst.«
»Bitte«, sagte Willow mit gequälter Stimme, »lies ruhig.«
»Versuch nicht den Atem anzuhalten, wenn die Schmerzen anfangen«, sagte Jessica sanft. »Das macht es nur noch schlimmer.« Sie fing an, Willow aus dem Sommernachtstraum vorzulesen.
Die Zeit verging wie im Fluge. Die Wehen, die jetzt mit jedem Mal heftiger wurden, folgten immer kürzer aufeinander, bis nur noch wenige Minuten zwischen ihnen lagen. Willows Körper versteifte sich vor Anstrengung, und jedesmal gab sie ein unterdrücktes Stöhnen von sich.
»Versuch nicht, dagegen anzukämpfen«, sagte Jessica leise. »Das Erlebnis der Geburt ist sowieso stärker als wir. Dagegen können wir uns nicht durchsetzen. Alles, was wir tun können, ist das Erlebnis mit dem Baby zu teilen.«
Ganz langsam begann Willow sich trotz der Schmerzen zu entspannen.
»Hier«, sagte Jessica und zog einen Ledergurt aus der Tasche. »Nimm das zwischen die Zähne.«
Keine der beiden Frauen hörte, wie sich die Vordertür öffnete und wie Caleb Willows Namen rief. Jessica begriff erst, daß Caleb ins Zimmer gekommen war, als ein Paar Arbeitshandschuhe zu Boden fiel und eine kräftige männliche Hand sich Willow entgegenstreckte.
»Nein!« sagte Jessica entschieden und stellte sich ihm in den Weg. »Du mußt dich erst waschen. Nichts, was nicht ganz sauber ist, darf mit ihr oder dem Kind in Berührung kommen, wenn wir nicht wollen, daß sie Fieber bekommt.«
Caleb sammelte seine Handschuhe vom Boden auf und rannte aus dem Zimmer. Als er zurückkam, war er noch dabei, sich die Hände abzutrocknen. Der Geruch nach Seife lag in der Luft. Er trug eine frische Hose, die er sich im Gehen zuknöpfte.
Willow wimmerte leise, als eine Wehe ihren Höhepunkt erreichte. Als sie die Augen aufschlug, sah sie Caleb, der sich gerade die Hose zumachte. Als hätte sie ein schlechtes Gewissen, ließ sie Jessicas Hand los, spuckte den Lederriemen aus und versteckte ihn schnell unter der Bettdecke.
Doch sie war nicht schnell genug. Nur wenige Menschen waren schnell genug, wenn es darum ging, etwas vor Calebs golden schimmernden Augen zu verbergen.
»Ich habe Jessi gesagt, sie soll das Gewehr nicht abfeuern«, sagte Willow. »Die Stuten...«
»Wolfe hat sie gefunden«, unterbrach Caleb sie, während er sich ein Hemd nahm. »Weshalb die Gewehrschüsse?«
»Ich habe versucht, euch zu rufen, als Willows Wehen eingesetzt haben«, sagte Jessica, während sie einen Lappen auswrang, mit dem sie Willows Stirn kühlte.
»Ich habe keine Schüsse gehört.«
Jessica schaute zum Fenster hinüber. Draußen herrschte nach wie vor Tageslicht. Der Wind heulte. Niemand außer Caleb war bisher aufgetaucht.
»Woher wußtest du dann, daß du zurückkommen solltest?« fragte sie.
»Ich habe gehört, wie Willow meinen Namen gerufen hat.«
Jessica starrte Caleb an, aber der hatte nur
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