Im Strudel der Gefuehle
Jessi?«
»Ja. Nein. Also ich...«
Jessicas aquamarinblaue Augen schauten forschend in Wolfes Gesicht. Sie fuhr mit den Fingern durch sein schwarzes Haar und stellte fest, daß es immer noch feucht war. Bei der Berührung mit den kühlen, glatten Strähnen überlief sie ein angenehmer Schauer. Sie hauchte seinen Namen und beobachtete ihn mit großen, fragenden Augen.
»Jessi, ist alles in Ordnung? Du schaust mich so an, als hättest du mich noch nie zuvor gesehen.«
»Habe ich auch nicht.« Noch bevor er etwas sagen konnte, bot sie ihm ihren Mund zum Kuß. »Küß mich, Wolfe. Küß mich ganz fest.«
Sein Kuß war heiß und leidenschaftlich und schien niemals enden zu wollen. Als er vorbei war, atmeten beide schneller. Gerade als Wolfe sie noch ein weiteres Mal küssen wollte, fiel die Vordertür laut ins Schloß.
»Macht ruhig so weiter, und wenn der Winter kommt, haben wir noch so einen kleinen Schreihals im Haus«, sagte Rafe. Er gab sich alle Mühe, sein Lächeln zu unterdrücken, was ihm allerdings gründlich mißlang.
Wolfe drückte Jessicas feuerrotes Gesicht gegen seine Brust. »Wir wollten gerade deinen Neffen bewundern gehen.«
»Aha. Was habe ich da gehört - ich muß erst einmal ein Bad nehmen, bevor ich das kleine Würmchen sehen darf?«
»Frag Reno.«
»Habe ich schon. Er hat mir eine Bürste in der Größe eines Wagenrades unter die Nase gehalten, und dabei haben seine Augen vor Schadenfreude nur so gefunkelt.«
Jessica lachte und drückte ihr Gesicht in Wolfes Hemd.
»Hast du vor, sie zu ersticken?« fragte Rafe höflich.
Wolfes Hand ergriff Jessicas Kinn. Er hob ihren Kopf und streifte ihre Lippen mit einem Kuß.
»Hast du Angst, zu ersticken?« fragte Wolfe sie sanft.
Sie wurde rot und sagte etwas, das Rafe nicht genau hören konnte.
»Wie bitte?« fragte Rafe.
»Sie sagte, viel Spaß bei deinem Bad.«
»Verdammt noch mal. Genau wie ich befürchtet hatte. Sieh zu, daß von dem kleinen Leckerbissen noch etwas übrig ist, wenn ich zurückkomme.«
»Was für ein Leckerbissen?« fragte Wolfe.
»Wolfe!« sagte Jessica und gab ihm mit der flachen Hand einen Klaps auf die Brust.
Rafe lachte immer noch, als er die Vordertür hinter sich ins Schloß zog.
»Komm, mein kleiner Leckerbissen«, sagte Wolfe und ließ Jessica wieder herunter. »Zeig mir das kleine Wunder.«
Willows strahlendes Lächeln lenkte davon ab, wie blaß sie war, als sie Wolfe begrüßte. Caleb saß neben dem Bett und hielt das schlafende Baby im Arm. Als Wolfe näher kam, hielt ihm Caleb vorsichtig das winzige Bündel hin.
»Du mußt eine Hand unter seinen Kopf und die andere unter sein Hinterteil halten«, sagte Jessica zu Wolfe.
»Jesus«, flüsterte Wolfe. »Er ist so winzig.«
»Nicht für ein Neugeborenes«, sagte Caleb. »Er ist beinahe sechzig Zentimeter groß und wiegt fast neun Pfund.«
»Genau wie ich sagte - winzig.«
Wolfe nahm das schlafende Baby auf den Arm und betrachtete es so liebevoll, daß sich alle Falten in seinem Gesicht glätteten. Als das Baby die Augen aufschlug, gab er einen leisen, erstaunten Laut von
sich.
»Schau nur, seine braunen Augen. Ja, die Ähnlichkeit mit dir ist wirklich unverkennbar.«
Das Baby begutachtete Wolfe unsicher, gähnte, sabberte ein bißchen und schlief wieder ein. Wolfe lachte leise und berührte die kleine, perfekt geformte Wange des Babys mit seinem Daumen.
Wolfe so zu sehen, löste ein schmerzhaftes Gefühl in Jessica aus. Sie hatte den ehrfürchtigen Ausdruck in seinen Augen gesehen, als er zuerst die goldenen Augen des Babys betrachtet und dann zu Caleb hinübergeschaut hatte. Und etwas anderes war ihr aufgefallen. Sie hatte Wolfes sehnlichen Wunsch erkannt, eines Tages ein Baby in seinen Armen zu halten und zu wissen, daß er selbst am Wunder des Lebens teilgehabt hatte.
Ein Mann brauchte keine Titel oder Besitztümer, um sich ein Kind zu wünschen. Diese plötzliche Erkenntnis war mit einem so tiefen Schmerz verbunden, daß Jessica kaum ein Stöhnen unterdrücken konnte.
»Wirst du genauso starrsinnig und anständig sein wie dein Vati?« fragte Wolfe das Baby mit leiser Stimme. »Das hoffe ich jedenfalls.
Die Welt braucht mehr Engel der Gerechtigkeit wie ihn, die sich nicht davor fürchten, den Teufeln das Handwerk zu legen.«
Wolfe schaute auf und lächelte Caleb an. »Wie dem auch sei, ich hoffe nur, daß es beim nächsten Mal eine Tochter wird. Die Welt kann genauso ein paar anständige Frauen mehr vertragen.«
»Darum mußt du dich schon
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