Im Strudel der Gefuehle
nutzlose Aristokratin zu heiraten.
Aber eben nur beinahe.
Bei der Erinnerung an Wolfes Worte drehte sich Jessica seufzend um und wandte sich einem der anderen Koffer zu. Nachdem sie den Deckel mit einiger Mühe geöffnet hatte, stellte sie fest, daß dieser Koffer noch leer war. Zuerst versuchte sie es Betsy gleichzutun und jedes einzelne Stück so sorgfältig zu packen, als wäre es ein fehlendes Teil eines großen Puzzles.
Nach kurzer Zeit erkannte sie jedoch, daß sie bis Sonnenuntergang immer noch nicht fertig sein würde, wenn sie sich weiterhin ein Teil nach dem anderen vornahm. Außerdem paßten die einzelnen Teile sowieso nicht zueinander.
Also fing sie an, wahllos einen Armvoll nach dem anderen in die Koffer zu stopfen. Als sie mit Schuhen, Handtaschen und Mänteln fertig war, hatte sie drei Koffer mit Leder und Stoff angefüllt. Mit gerunzelter Stirn versuchte sie sich zu erinnern, ob sie bereits so viele Accessoires besessen hatte, als Betsy für sie gepackt hatte.
»Ich bin mir sicher, daß ich nur eine einzige Kiste voll davon hatte. Vielleicht brauche ich noch eine weitere Kiste für dieses ganze Zeug.«
Mit einem entmutigten Seufzer fuhr Jessica fort, Sachen in die zwei bereits überquellenden Koffer zu stopfen. Als sie sie zu schließen versuchte, stellte sie fest, daß die Deckel nicht zugehen wollten und erbitterten Widerstand leisteten. Sosehr sie es auch versuchte, die Schlösser wollten einfach nicht einrasten.
Schließlich stellte sie sich auf den Kofferdeckel und sprang auf und ab, um den Inhalt zusammenzudrücken. Schließlich schnappten Unter-und Oberteil des Koffers zu. Im selben Moment jedoch, als sie wieder herunterstieg, um das Schloß zuzudrücken, sprang der Deckel wieder auf. Also mußte sie sich auf den Deckel setzen und mit dem Kopf nach unten gegen die widerspenstigen Schlösser ankämpfen. Zweimal hätte sie beinahe das Ende ihres langen Zopfes eingeklemmt.
»Betsy hatte nie solche Schwierigkeiten beim Packen«, murmelte sie.
Nachdem sie fertig war, holte sie die goldene Uhr heraus, die an ihrem Kleid befestigt war. Mit gerunzelter Stirn stellte sie fest, daß es schon spät war. Wolfe konnte jeden Moment zurückkommen. Sie wollte ihm beweisen, daß sie keine nutzlose Aristokratin war, indem sie ihn reisefertig und mit gepackten Koffern erwartete.
»Je eher man anfängt, desto früher ist man fertig«, versuchte sie sich aufzumuntern und blies sich eine Haarsträhne aus dem geröteten Gesicht.
Sie legte die restlichen Kleider oben auf den Stapel und fing an, sie in den Koffer zu stopfen. Dabei lehnte sie sich mit ihrem ganzen Gewicht auf den Deckel und versuchte so, alles auf die Größe des Koffers zusammenzudrücken. Bevor sie auf den Deckel stieg, um die Schlösser einrasten zu lassen, fiel ihr ein, daß sie das Abendkleid und die Reitkleider noch nicht untergebracht hatte. Sie betrachtete zuerst den einen Koffer, in den sie ihre Kleider gestopft hatte, dann den anderen, den sie bisher noch unbeachtet gelassen hatte. Der Koffer vor ihr war zweifellos größer.
»Oh, zum Teufel«, murmelte Jessica. »Das Abendkleid muß dann wohl noch in diesen hier passen.«
Das Abendkleid war zwar weich und hauchdünn wie Mondlicht, bestand aber aus Unmengen von Stoff. Sosehr sie sich auch Mühe gab, das Kleid zusammenzurollen, zu falten und zusammenzupressen, es wollte einfach nicht in den Koffer passen.
Erschöpft richtete Jessica sich auf. Die Stimme eines Lumpensammlers draußen auf der Straße lockte sie ans Fenster. Als sie hinaussah, entdeckte sie eine breitschultrige, vertraute Gestalt, die die Straße entlang aufs Hotel zukam.
Jessica lief zum Koffer zurück, drückte das Kleid so gut es ging zusammen, schlug den Deckel zu und lehnte sich mit ihrem ganzen Gewicht dagegen. Zuerst ließ sich der Deckel nicht ganz schließen, doch schließlich rastete das Schloß ein.
»Jetzt noch einer, dann wäre es geschafft.«
Als Jessica sich aufrichtete und sich dem letzten Koffer zuwenden wollte, wurde sie heftig an ihrem Zopf zurückgerissen. Sie schaute sich über die Schultern um. Das letzte Drittel ihres Zopfes war im Koffer eingeklemmt. Sie wickelte sich den Zopf um die Hände und zog daran. Nichts geschah. Sie zog fester. Der Zopf bewegte sich nicht von der Stelle. Sie zog und zerrte, doch ohne Erfolg. Sie blieb nach wie vor an den Koffer gefesselt.
»Verflixt noch mal! Ich muß das verdammte Ding wohl aufmachen. Und dann geht alles wieder von vorne los.«
In diesem Moment
Weitere Kostenlose Bücher