Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Im Strudel der Gefuehle

Titel: Im Strudel der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Lowell
Vom Netzwerk:
Treppe hinunter, um den Löffel aufzuheben. Irgendwie mußte sie ihn am Boden der Waschschüssel übersehen haben.
    Als Jessica mit dem Löffel in der Hand wieder die Treppenstufen hinaufging, hörte sie einen Vogel zwitschern. Ihr war schon vorher aufgefallen, daß sich die Weiden unten am Fluß bereits langsam grün zu färben begannen. Wie eine ferne Verheißung lag der Sommer in der Luft. Die Sonne strahlte und am Himmel zogen Wolken vorbei, die so strahlend weiß waren, daß man kaum mit bloßem Auge hinschauen konnte. Der warme Sonnenschein war wie wohltuender Balsam für ihre Augen.
    Sie nahm das Handtuch ab, das sie als Kopftuch benutzt hatte, und schüttelte ihr glänzendes, volles Haar. Der Wilde Westen lag wie ein aufregendes Abenteuer vor ihr, und ihr Herz schlug schneller, als sie daran dachte, daß nichts unmöglich war.
    Im selben Moment stand Wolfe wie angewurzelt im Schatten des winzigen Stalls und beobachtete Jessica dabei, wie sie ihr Haar wie eine leuchtende Wolke im hellen Sonnenlicht ausschüttelte. Sie fuhr mit gespreizten Fingern durch die wilden Locken, als wollte sie das Sonnenlicht mit beiden Händen packen. Der Anblick löste eine Mischung aus
    Begierde und Zärtlichkeit in Wolfe aus, die er sich nicht erklären konnte.
    Bewegungslos und mit angehaltenem Atem stand Einsamer Baum da und beobachtete Jessica dabei, wie sie langsam Pirouetten drehte, sich verbeugte und ihre Arme ausstreckte, als wollte sie einen unsichtbaren Tanzpartner begrüßen. Während sie mühelos dahinglitt, sich in den Knien wiegte und wie eine Kerzenflamme im Wind drehte, flatterte die Melodie eines Walzers von Strauß über das wilde Land. Wie eine graziöse Elfe sah sie aus, doch ihre Schönheit und ihre grausamen Worte steckten Wolfe immer noch wie ein Dolch im Herz.
    Kein Wunder, daß man dich >den wilden Sohn des Grafen< getauft hat. Wenn ich gewußt hätte, daß du mir jemals etwas so Gemeines antun würdest, hätte ich dich nie geheiratet.
    Verbittert wandte sich Wolfe vom Anblick der tanzenden Elfe im Sonnenschein ab; doch es gab keinen Ort, an dem er sich vor ihren Worten verstecken konnte. Tief in seinem Inneren hörte er immer noch ihr Echo. Sie hatten ihn auf eine Art verletzt, die er zwar deutlich spürte, die er sich aber trotz alledem nicht erklären konnte. Mit der Macht der Gewohnheit traf er die Vorbereitungen für die bevorstehende Reise. Die Pässe waren um diese Jahreszeit noch nicht passierbar, aber es war immer noch sicherer, die Risiken der Reise in Kauf zu nehmen, als mit Jessica allein in diesem Haus eingesperrt zu bleiben. Sie war wie eine Flamme, die unter einer dicken Schicht Eis flackerte; auch wenn sie ihn magisch anzog, blieb sie für immer unerreichbar.
    Worüber beklage ich mich eigentlich? fragte sich Wolfe. Selbst wenn sie sich mir um den Hals werfen würde, könnte ich sie nicht ertragen.
    Bist du dir sicher ? entgegnete ein anderer Teil von ihm.
    Auf einem goldenen Tablett mit einem Apfel im Mund würde ich sie nicht nehmen.
    Und im Bett, wenn sie sich dir öffnet wie die Blütenblätter einer Rose?
    Niemals.
    Lügner kommen in die Hölle.
    Die Hölle erwartet mich, wenn ich mich nicht zusammennehme. Gleichgültig, wie sehr ich mich auch zu Jessica hingezogen fühle, sie ist einfach nicht die richtige Frau für mich.
    Es war nicht das erste Mal, daß Wolfe diese selbstquälerische Litanei im Kopf herumging, aber diesmal hatte sie die gewünschte Wirkung. Als er in den hellen Sonnenschein hinaustrat und zum Haus zurückging, war keine Spur des heißen Begehrens und der unerträglichen Sehnsucht, die ihn eben noch gequält hatten, an ihm zu entdecken. Sein Gesicht war vollkommen ausdruckslos, als er ins Schlafzimmer kam und Jessica inmitten eines Durcheinanders aus Samt und Seide stehen sah.
    Die beiden Koffer lagen offen auf dem Bett. Aus einem von ihnen quollen Bücher, ein Opernglas, ein kleines Kästchen voller Angelköder, die Einzelteile ihrer Angelrute, ein Päckchen mit Nadel und Faden und vieles andere mehr.
    Neugierig betrachtete Wolfe die Bücher, die sie herausgelegt hatte.
    »Coleridge, Burns, Blake, Donne, Shakespeare...« Wolfe legte den schweren Band beiseite. »Den kannst du getrost hierlassen. Willow hat Shakespeares gesammelte Werke.«
    »Ich hätte mir denken können, daß deine Traumfrau so etwas hat.«
    »Den Herrn Pastor kannst du auch hierlassen.«
    »John Donne?« Jessica zog ihre mahagonifarbenen Augenbrauen in die Höhe. »Deine Traumfrau scheint ja

Weitere Kostenlose Bücher