Im Strudel der Gefuehle
Vorstellung, daß er selbst derjenige sein könnte, der ihr diese tief in ihr versteckte Sinnlichkeit entlockte, hatte eine Wirkung auf seinen Körper, die ihn überraschte.
Wolfe verfluchte den Teil von sich, der ihn schutzlos einem Mädchen auslieferte, das ihm die Pest an den Hals wünschte. Er wandte den Blick so lange von Jessica ab, bis das gnadenlose Drängen nachgelassen und einem dumpfen, unangenehmen Druck gewichen war. Das war die einzige Erleichterung, mit der er auch in Zukunft rechnen konnte. In Jessicas Gegenwart war dieser Zustand unterschwelliger Erregung so normal geworden, daß er sich kaum noch erinnern konnte, wie es vorher gewesen war.
Er schaute den Hang hinauf und sah, wie Jessica erneut stolperte. Zuerst dachte er, daß sie nur deshalb so ungeschickt war, weil sie sich immer noch über ihn ärgerte. Dann sah er, wie sie mühsam wieder auf die Beine kam, zwei Schritte machte und um ein Haar gleich noch einmal hingefallen wäre. Irgend etwas stimmte mir ihrem rechten Bein nicht.
»Bleib stehen, Jessi«, rief Wolfe ihr hinterher. »Ich helfe dir.«
Jessica machte sich nicht einmal die Mühe, sich nach ihm umzudrehen. Auch gab sie ihre ungeschickten Versuche nicht auf, allein den steilen Abhang hinaufzuklettern.
Mit einem unterdrückten Fluch steckte Wolfe das Messer weg und schwang sich in den Sattel. Er gab der Stute die Sporen und trieb sie den Hang hinauf. Ohne sein Pferd zu zügeln, beugte Wolfe sich vor, packte
Jessica und drückte sie fest gegen seinen Schenkel. Erst als die Stute oben am Hang angekommen war, blieb sie stehen.
»Setz dich vor mich«, sagte Wolfe mit mühsam beherrschter Stimme.
Gleichzeitig hob er Jessica über den braunen Hals der Stute. Ihr Rock ließ sich in der Mitte auseinanderschlagen, was es ihr erlaubte, sich breitbeinig in den Sattel zu setzen. Mit einem heißen Aufwallen des Begehrens reagierte sein Körper auf ihre Nähe. Sein Atem beschleunigte sich, als ihm die Worte in den Sinn kamen, die er noch nie in Gegenwart einer Frau ausgesprochen hatte und auch jetzt lieber für sich behielt.
»Beweg dich nicht«, sagte er mit eiserner Beherrschung.
Jessica antwortete nicht, versuchte aber auch nicht abzusteigen. Mit einer einzigen, schnellen Bewegung stieg Wolfe aus dem Sattel. Seine Hand packte ihren zierlichen Fuß, der aus den schneeverkrusteten Falten ihres Rocks hervorschaute.
»Wo tut es weh?«
Jessica schaute zu ihm hin. Sogar wenn sie im Sattel saß, überragte er sie noch. Und stärker als sie war er außerdem. Alles, was sie jetzt noch besaß, war die Gewißheit, daß sie lieber gestorben wäre, als sich noch einmal wie ein bunter Chip auf dem Roulettetisch der feinen Gesellschaft hin und her schieben zu lassen.
Lieber wäre sie auf der Stelle gestorben, als so zu leben wir ihre Mutter.
Die Erinnerungen vermischten sich plötzlich mit ihren Alpträumen. Ein kalter Schauer lief ihr den Rücken hinunter. Noch bevor er abgeklungen war, wußte Jessica, daß es noch etwas anderes gab, worauf sie sich fest verlassen konnte: Wolfe würde sich niemals mit ihrer Ehe abfinden. Er würde sich nur immer neue Grausamkeiten ausdenken, um sie davon abzubringen.
Du wirst den Tag bereuen, an dem du mich zur Heirat gezwungen hast. Es gibt Schlimmeres, als sich von einer Rothaut anfassen zu lassen. Und bald schon wirst du genau wissen, was ich meine.
Jetzt, als es zu spät war, glaubte ihm Jessica jedes Wort und sie erkannte, daß nichts mehr zwischen ihr und dem gnadenlosen Heulen des Windes stand.
»Wo tut es weh?« wiederholte Wolfe ungeduldig.
»Gar nicht.«
Überrascht schaute Wolfe auf. Diesen Tonfall hatte er noch nie von ihr gehört - gefühllos und kalt wie Stein. Ihre Augen hatten denselben stumpfen Ausdruck.
»Ich habe gesehen, wie du gehumpelt bist.«
»Darauf kommt es auch nicht mehr an.«
Das ungeduldige Aufflackern in Wolfes Augen wich einem Ausdruck der Besorgnis.
»Jessi?«
Jessica war innerlich so verstrickt in ihrer schrecklichen Entdeckung, daß sie Wolfes leise Frage nicht gehört hatte. Er zögerte erst und begann dann, durch das weiche Leder ihres Stiefels ihren Fuß zu betasten. Er spürte, wie sie leicht zusammenzuckte, als er gegen ihren Knöchel drückte, aber er war sich nicht ganz sicher.
»Kannst du reiten?« fragte er und trat einen Schritt zurück.
»Wie du siehst.«
Jessicas Worte klangen nicht einmal mehr spöttisch. Es war nichts weiter als eine nüchterne Feststellung. Es war ja wohl kaum zu übersehen, daß sie
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