Im Strudel der Gefuehle
Weibsbild nicht gäbe, hätte ich mit Wolfe eine Zukunft gehabt. Sie wird mich zerstören wie ein schleichendes Gift.
Jessica starrte auf die Schatten unter der Veranda, aber außer einem Paar schlanker Arme um Wolfes Taille konnte sie nichts erkennen.
Natürlich wird sie umwerfend aussehen, dachte Jessica verbittert. So wundervoll wie diese große, grüne Wiese und so makellos wie die Berge mit ihren eisgekrönten Gipfeln.
Bedrückt schaute Jessica sich um. Die prachtvolle Ranch hier oben in den Bergen konnte sie kaum von der Finsternis ablenken, die sich unbarmherzig in ihrem Innern zusammenbraute und ihr Leben so farblos machte, wie der Abend langsam das Tageslicht verblassen ließ.
»Komm, ich stelle dir dein Geschenk vor«, sagte Wolfe lächelnd und ließ Willow los.
»Mir mein Geschenk vorstellen?«
»Mhm-mhm.«
Das Schnurren, das Wolfe vor Erwartung von sich gab, durchzuckte Jessica wie ein Peitschenhieb und legte mit seinen stählernen Enden ihre innersten Gefühle frei. Und sie hatte gedacht, die Wut und die Verzweiflung, die sie an dem Tag empfunden hatte, als sie den Paß überquerten, ließ sich nicht mehr steigern!
Sie hatte sich geirrt. Es schien zu einer schlechten Angewohnheit zu werden, daß sie sich jedesmal irrte, wenn es um Wolfe ging.
Soll das verfluchte Weibsbild doch in der Hölle schmoren!
Dann trat Willow endlich ins helle Sonnenlicht, und Jessica mußte tief Luft holen. Das Weibsbild brauchte gar nicht mehr auf die Hölle zu warten. Die Hölle hatte bereits ihre nackten Klauen tief in ihren Körper geschlagen. Willow befand sich im letzten Monat der Schwangerschaft; in ihr schlummerte das Kind, das sie in Stücke reißen würde, wenn es versuchte, sich seinen blutigen Weg aus ihrem Körper zu bahnen.
Oh, Gott steh ihr bei in ihrer schweren Stunde!
Das stille Gebet, das Jessica voller Inbrunst für Willow sprach, war ehrlicher und kam tiefer aus ihrem Inneren als ihre Eifersucht. Sie konnte sich nicht an den Qualen erfreuen, die Willow im Kindbett erwarteten. Wie konnte sie Willow jetzt noch hassen? Alles, was Jessica empfand, war tiefes Mitgefühl mit dem armen Mädchen, dessen Schicksal es war, sich in Schmerzen zu winden und um Mitleid zu betteln; Mitleid, das ihr auf ewig verwehrt bleiben würde. Es war der endlose Kreislauf, dem sich eine Frau zwischen der Wollust ihres Mannes und den Qualen des Kindbetts unterwerfen mußte; und im Hintergrund, unablässig und alles verschlingend, heulte der schwarze Wind, und die empörten Schreie der zu Unrecht Verdammten verhallten ungehört.
Jessica mußte sich Mühe geben, sich nicht anmerken zu lassen, wie grausam Willows Gelächter und ihre kokette Stimme in ihren Ohren klangen. Mit qualvoller Hilflosigkeit sah sie zu, wie Willow Wolfes Arm ergriff, um sich daran festzuhalten. Gemeinsam schritten sie über den unebenen Boden und die vereisten Pfützen, wo Schnee und Schlamm mit den grünen Vorboten des gerade erst zurückkehrenden Frühlings wetteiferten.
Als Willow an Jessicas Pferd vorbeiging, schaute sie freundlich zu Jessica auf und schenkte ihr ein Lächeln, mit dem sie ihr die Freundschaft anbot. Jessica erwiderte das Lächeln, aber Wolfe ging weiter, ohne anzuhalten oder aufzublicken.
»Wolfe?« fragte Willow und zupfte an seinem Arm.
»Gleich bekommst du dein Geschenk.«
Mit einem breiten Grinsen schwang Rafe das rechte Bein über den Hals seines Pferdes und ließ sich zu Boden gleiten. Als er den Hut abnahm, leuchtete sein Haar im selben blaßgoldenen Farbton in der Sonne wie das von Willow.
Willow blieb wie angewurzelt stehen, stieß einen ungläubigen Freudenschrei aus und wiederholte dann Rafes Namen unter Lachen und Weinen immer und immer wieder. Rafe nahm sie vorsichtig in seine Arme und drückte sie lange an sich, wobei er ihr leise Dinge ins Ohr flüsterte, die nur für sie und niemanden sonst bestimmt waren. Schließlich ließ er sie los und wischte ihr die Freudentränen aus dem Gesicht.
»Also wirklich, Willy, ich muß schon sagen, du hast dich zu einer richtigen Frau entwickelt. Und nach allem, was mir Wolfe erzählt hat, hast du sogar einen guten Mann geangelt.« Rafe zögerte einen Moment und setzte dann grinsend hinzu: »Und einen ziemlich fruchtbaren obendrein.«
Willow wurde rot, lachte und gab ihrem älteren Bruder einen Klaps auf die breite Brust. »Schämen solltest du dich. Kannst du nicht so tun, als hättest du das übersehen?«
»Das wäre so, als wenn man einen Berg zu ignorieren versucht«,
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