Im Sturm der Herzen
Kompliment sein, vermute ich.« Der nächste Schuss dröhnte, zersplitterte einen Ast über ihren Köpfen und ließ einen Blätterregen niedergehen. »Ich muss näher ran, aber ich will dich hier nicht allein lassen.«
Allie starrte die Stelle an, von der die Kugeln kamen. »Ich wünschte, ich hätte ein Gewehr.«
Eine schwarze Augenbraue zog sich nach oben. »Kannst du damit denn umgehen?«
Sie zuckte die Achseln. »Auf dem Jahrmarkt habe ich jedenfalls immer getroffen. Ich habe ein halbes Dutzend Teddybären, mit denen ich das beweisen kann.«
Jake schüttelte mit zuckenden Mundwinkeln den Kopf. Der nächste Schuss krachte in den Baum.
»Das geht schon klar«, sagte Allie, die sehen konnte, wie unschlüssig er war. »Hol ihn dir.«
Die nächste Salve, diesmal aus einem anderen Winkel, dröhnte durch den Dschungel und traf den Baum links von ihnen.
Jake spannte einen Muskel am Kinn. »Bleib einfach nur unten. Ich bleibe nicht lange weg, und ich behalte dich im Auge.«
Er feuerte einen Schuss ab, um Roberto unten zu halten. Dann machte er sich lautlos durch die großblättrigen Büsche auf den Weg und verschwand gut getarnt in den Schatten des Urwalds.
Allie dachte an das Gewehr, das sie nicht hatte. Sie musste Roberto so lange ablenken, bis Jake einen Schuss feuern konnte. Aber schließlich gab es auch andere Wege, jemanden abzulenken, als ausgerechnet mit Hilfe eines Gewehrs. Sie betrachtete den Boden, entdeckte einen faustgroßen Stein, schlich Stückchen für Stückchen darauf zu und hob ihn auf. Flach an einen Baum gepresst schleuderte sie den Stein in eine Farngruppe und brachte die filigranen Blätter zum Tanzen.
Schüsse hallten durch den Urwald wider und schlugen in den feuchten Grund bei den Farnen ein. Sie hörte rechts von sich Jakes Pistole donnern, zwei schnelle Schüsse, dann feuerte Roberto die nächste Runde.
Stille legte sich über den Urwald. Nur noch ihr Herzschlag donnerte wie wahnsinnig in ihren Ohren; Sekunden wurden zu Minuten. Nicht einmal ein Vogelzwitschern oder Laubgeraschel. Die Minuten zogen sich dahin, und Allies Angst wuchs mit ihnen.
Vielleicht war Jake verletzt. Vielleicht hatte eine von Robertos Kugeln getroffen. Vielleicht lag er sterbend da draußen, brauchte verzweifelt ihre Hilfe.
Die Sorge nagte an ihr, ließ ihre Handflächen schwitzen. Sie bemerkte, dass sie auf einem Nagel herumkaute, und zog die Fingerspitze aus dem Mund.
Sie starrte in das Blätterdickicht, wo Jake verschwunden war. Wie konnte sie einfach hier herumsitzen? Sie musste etwas tun! Sie wartete noch ein paar Minuten, dann straffte sie die Schultern und stürzte sich ins Blattwerk. Entschlossen herauszufinden, was geschehen war, hielt sie sich sorgsam geduckt und folgte dem Pfad, den Jake genommen hatte. Sie war erst ein kleines Stück weit gekommen, als eine flüsternde Stimme direkt vor ihr sie wie angewurzelt innehalten ließ.
»Ich dachte, ich hätte dir gesagt, du sollst bleiben, wo du bist.«
Ihr Blick wanderte von den Segeltuchschuhen über die langen, in Jeans steckenden Beinen und die muskulöse Brust zu seinem Gesicht. »Ich dachte, du bist vielleicht verletzt. Ich konnte dich doch nicht da draußen herumliegen lassen.«
Seine Gesichtszüge blieben hart. »Das nächste Mal, wenn ich dir sage, was du zu tun hast, tust du es auch. Verstanden?«
Allie überkam der Zorn. »Wie Sie wünschen, Major Dawson. Das nächste Mal lasse ich dich einfach im Dschungel verrotten.«
Er veränderte langsam die Haltung, entspannte sich und warf eine schwarze gewellte Strähne aus dem Gesicht. »Entschuldigung. Das hast du nicht verdient. Ich wollte nur nicht, dass dir etwas zustößt.«
»Und ich will nicht, dass dir etwas zustößt. Aber wenn ich glaube, dass vielleicht genau das passiert ist, kann ich nicht einfach herumsitzen und nichts tun.«
Sein breites Grinsen überraschte sie. »Ich denke, damit kann ich leben.«
»Was ist denn überhaupt passiert?«
Jake sicherte seine Pistole und schob sie in den Bund der Jeans. Wobei Allie unter seinem rechten Arm einen Flecken frischen Bluts entdeckte.
»Du bist angeschossen worden!«
Er zuckte die Achseln. »Wie sie im Film immer sagen: Es ist nur eine Fleischwunde.«
»Aber sie muss sauber gemacht und verbunden werden. Das ist wichtig, bei all den Insekten und Krankheitserregern hier draußen.«
»Yeah, sicher.« Er zog sie hinter einen schützenden Felsbrocken, setzte sich und zog das T-Shirt aus.
»Also, was ist passiert?«, fragte Allie,
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