Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
dieser tat, als hätte er nichts gehört.
Er hatte wieder auf seinem Thronsessel Platz genommen und wies die Bediensteten an, für Erfrischungen zu sorgen. Auf den Fluch da Gamas reagierte er lediglich mit einem Achselzucken. Er war der Herrscher und daran gewöhnt, dass nicht alle Entscheidungen, die er traf, den Beifall seiner Untergebenen fanden. Nun, da Gama hatte gesprochen; der Schreiber hatte die Worte getreulich auf das Pergament geschrieben. Alles Weitere oblag dem höchsten Richter. Er würde entscheiden, welche Strafe angemessen war.
Trotzdem war ihm bei der ganzen Sache nicht wohl. Es stimmte, die Anwesenheit der indischen Prinzessin war mehr als ungewöhnlich. Auch der Bericht des Seemanns klang glaubwürdig. Aber Manuel I. konnte sich trotzdem nicht vorstellen, dass da Gama die Seiten gewechselt haben sollte. Er war ihm stets treu ergeben gewesen. Niemand hatte ihn je bei einer Lüge, bei etwas Unrechtem ertappt. Vasco da Gama war ein Ehrenmann durch und durch. Seine Gesinnung war edel, seine Manieren tadellos. Doch die geheimnisvolle Karte blieb verschwunden. In der Nacht hatte Manuel den Befehl zur Durchsuchung der Sao Gabriel gegeben. Die Soldaten hatten jeden Winkel durchsucht. Vergebens. Und obwohl die Durchsuchung von Dom Vascos Stadthaus noch bevorstand, war sich der König sicher, dass die Karte auch dort nicht auftauchen würde. Da Gama schien sie gut versteckt zu haben.
Die Tatsachen und all seine Berater sprachen leider dafür: Vasco da Gama hatte sich des Hochverrats an Krone und König schuldig gemacht. Manuel verdrängte die Gedanken an seinen ehemaligen Favoriten und gab dem Zeremonienmeister ein Zeichen, mit der Versammlung fortzufahren.
Dom Pedro war allerbester Laune, als er sich am Abend im Palazzo Alvarez seiner Verlobten melden ließ. Mit selbstgefälliger Miene stolzierte er durch die weiträumige Halle und achtete weder auf den Gewandschneider, der sich damit abmühte, unzählige Stoffballen durch das Portal ins Haus zu bringen, noch auf den Goldschmied, der unter der Last seiner großen Ledertasche ächzte.
»Die Herrschaften lassen Euch in Doña Charlottas Empfangsgemach bitten«, meldete die Magd.
Mit einem hochmütigen Nicken und einem bellenden Befehl an die beiden königlichen Handwerker, hier in der Halle auf ihn zu warten, stolzierte er die Treppe hinauf und klopfte schwungvoll an die Tür des Gemachs.
Er fand Charlotta in einem Stuhl sitzend. Obwohl die Abenddämmerung bereits hereingebrochen war, konnte er erkennen, dass sie geweint hatte. Hoch aufgerichtet saß sie da, die Hände im Schoß gefaltet, den Blick auf ihn gerichtet. Ihre Augen loderten wie grüne Feuer und Dom Pedro konnte erkennen, dass sie all ihre Beherrschung zusammennehmen musste, um nicht aufzuspringen und ihm die Augen auszukratzen. Er wusste zwar, dass Charlotta ihm nicht sonderlich zugetan war, doch diesen Hass hatte er nicht erwartet. Wusste sie etwa, dass er es war, der dem königlichen Rat mit Madrigals Hilfe die Augen über da Gama geöffnet hatte? Nein, das konnte nicht sein. Doch woher rührte dieser wissende Blick, der auf ihm ruhte und alle seine Gedanken zu ergründen schien? Dom Pedro überlegte, ob er vielleicht unachtsam gewesen war. Ohne es zu merken, schüttelte er den Kopf. Nein, er hatte alles bedacht. Gestern und vorgestern hatte er den meisten Admiralen und Mitgliedern des königlichen Rates einen Anstandsbesuch abgestattet. Es war leicht gewesen, Zweifel an der Lauterkeit da Gamas zu sähen. Es ging um Geld, um viel Geld, Erfolg und Ruhm. Da Gama zählte in den Hofkreisen nicht nur Freunde. Neid und Missgunst waren so weit verbreitet im Palast Manuels I., dass es nur weniger Worte bedurfte, um da Gamas Ehre in Zweifel zu ziehen. Er war Madrigal wirklich dankbar für die Raffinesse, mit der er da Gamas Untergang betrieb.
Heute Morgen hatte er nun gar eine Unterredung mit dem König in dessen privaten Gemächern gehabt. Zunächst ungläubig hörte dieser ihm zu, doch zum Schluss hatte er Dom Pedro anerkennend auf die Schulter geklopft. Immerhin hatte er, Dom Pedro, dafür gesorgt, größeren Schaden von der Krone fernzuhalten. Nun, der König würde sich dankbar dafür erweisen. Und dankbar wären ihm bestimmt eines Tages auch Charlotta und ihr hochmütiger, stolzer Vater.
Mit diesem Gedanken im Kopf ging Dom Pedro etwas selbstbewusster auf Charlotta und ihren Vater zu, der am Fenster stand und hinauszublicken schien. Doch Dom Ernesto wandte sich nicht um, den Gast zu
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