Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
flüsterten die Herren miteinander, ängstlich darauf bedacht, dabei nicht aufzufallen.
Vasco da Gama saß an der Wand in der Nähe des Königs und stellte mit Verwunderung fest, dass die Admirale und auch die Ratsherren wegschauten, sobald er sie anblickte. Einige beschäftigten sich verlegen mit ihren Stiefeln und dem glänzenden Marmor unter ihren Füßen. Unruhiges Gemurmel füllte den Raum, doch niemand sprach mit Vasco da Gama. Gestern noch, als der König ihm die Adelsurkunde verliehen und ihn zum Grafen von Vidiguera gemacht hatte, war er von Leuten umschwärmt worden. Ein jeder katzbuckelte und beglückwünschte ihn und wollte aus seinem Munde von den Erlebnissen im indischen Reich hören. Heute jedoch taten die meisten, als wäre er überhaupt nicht vorhanden.
Was war geschehen? Warum wich jeder seinem Blick aus? Weshalb wurden seine Grüße nicht erwidert? Wieso richtete niemand eine Frage an ihn?
Da Gama zwang sich zur Ruhe und überdachte die Ereignisse seit seiner Rückkehr, ohne die Anwesenden im Saal aus den Augen zu lassen. In Gedanken sah er Charlotta vor sich. Charlotta, die er mehr als alles andere in der Welt geliebt hatte und die nun mit Dom Pedro verlobt war. Er glaubte nicht mehr, dass sie zu dieser Verlobung gezwungen worden war, denn Charlotta war stolz und rebellisch. Nie würde es jemandem gelingen, sie dazu zu bringen, Dinge zu tun, die sie nicht wollte. Vasco fand nur eine Erklärung für ihr Verhalten: Sie hatte ihn in den Zeiten seiner Abwesenheit aufgegeben und sich nach einem künftigen Ehemann umgesehen, der ihr alles das bieten konnte, was sie gewöhnt war. Dom Pedro bot sich gerade zu an. Seit Kindheit waren die Familien der Alvarez’ und der Corvilhas miteinander befreundet. Ihre ausgedehnten Ländereien im Inneren des Landes grenzten aneinander. Eine Verbindung war für beide Seiten vorteilhaft. Charlottas Kinder würden eines Tages die Erben eines unermesslichen Reichtums an Land, Vieh und Leuten werden. Es war selten, dass eine Frau von Charlottas Stand aus Liebe heiratete. Besitz wurde mit Besitz verbündet und die Nachkommenschaft sichergestellt. Er selbst war in der letzten Nacht vor seiner Reise Zeuge gewesen, wie Charlotta sich vor seinen Augen vom Mädchen in eine Frau verwandelt hatte. Er hatte das Feuer, das in ihren Lenden glühte, gespürt, hatte das Verlangen in ihren Augen gesehen. Dann war er lange weg gewesen. Wahrscheinlich hatte das Begehren sie überwältigt. Sie musste sich Corvilhas hingegeben haben, sonst würde er nichts von dem Schmetterling wissen. Immer, wenn er daran dachte, war es, als würde ihm das Herz aus der Brust gerissen.
Vasco hatte geglaubt, sie sei anders. Nun, er hatte sich wohl getäuscht. Sie war genau wie alle anderen verwöhnten Frauen – einzig darauf bedacht, ein Leben in Reichtum und Sorglosigkeit zu verbringen. Sie hatte seine Liebe einfach weggeworfen wie einen fauligen Fisch und sich bei der ersten besten Gelegenheit einem Anderen an den Hals geschmissen. Jedes ihrer Worte war im Nachhinein eine Lüge gewesen. Natürlich hatte er bemerkt, dass Charlotta auf dem Empfang keinen Blick von ihm gelassen hatte, aber auch für dieses Verhalten hatte Vasco schnell eine Erklärung gefunden. Seine Mission war erfolgreich gewesen und würde ihm in kürzester Zeit unermesslichen Reichtum bescheren. Damit war er für Charlotta wieder interessanter geworden, redete er sich ein. Zudem war er jünger als Dom Pedro. Sein Stern am Hofe stieg stetig. Der König hatte ihn geadelt und ihn seinen Freund genannt. Er war mit Ruhm und Ehre überschüttet worden, die Frauen machten ihm schöne Augen und seine Zukunft hatte nie rosiger ausgesehen. Manuel I. hatte ihm sogar einen Posten am königlichen Hof in Aussicht gestellt.
All diese Dinge hatten ihn in Charlottas Augen anscheinend wieder attraktiv gemacht. Aber sie hatte sich getäuscht, wenn sie glaubte, er hätte sie nicht durchschaut. Und gerade wegen dieser Einsicht in ihren wahren Charakter schmerzte es Vasco Charlotta zu begegnen. Er wollte so schnell wie möglich weg von ihr und wieder auf See. Er würde es nicht ertragen, Charlotta, die er trotz ihres Verrates noch immer liebte und begehrte wie keine andere, als Gattin Dom Pedros zu sehen. Niemals wieder wollte er ihr Lachen hören, das nicht ihm galt, nie wieder das Funkeln ihrer meergrünen Augen sehen, die einen anderen anschauten, den verlockenden Duft ihrer roten Feuermähne riechen, während sie am Arm Dom Pedros einherschritt, ihre
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