Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
milchweiße Haut im Kerzenlicht golden schimmern sehen, die nun ein anderer liebkosen durfte.
Lieber verbrachte er viele entbehrungsreiche Monate auf See, umgeben von Stürmen, Unwettern und anderen Gefahren, als zuzusehen, wie Charlotta womöglich das Kind eines anderen zur Welt brachte. Wenn alles nach da Gamas Vorstellungen verlief, so würde er schon bald erneut mit der Sao Gabriel aufbrechen, um weitere Länder des indischen Reiches zu erkunden. Vielleicht würde er sich sogar ganz im Abendland niederlassen. Hier hielt ihn nichts mehr. Das Leben in Lissabon hatte allen Glanz und alle Freude verloren, seit er Charlotta verloren hatte.
Das Gemurmel im Saal wurde lauter, als sich die Tür öffnete und Dom Pedro hereinstolzierte. Verwundert registrierte Vasco da Gama die freundlichen, ja, teilweise sogar unterwürfigen Begrüßungen. Was war los? Selbst jene, die Corvilhas bisher mit leiser Verachtung behandelt hatten, lächelten ihm nun zu, als wären sie enge Freunde. Irgendetwas war geschehen. Etwas, das ihm selbst Schaden und Dom Pedro Vorteile bringen könnte. Aber was? Hatte Charlotta etwas damit zu tun? Unruhe beschlich ihn. Alle Muskeln seines Körpers waren angespannt, seine Sinne geschärft.
Auch Suleika, die Prinzessin aus Kalikut, die als Staatsgast an der Ratssitzung teilnahm, hatte diese Unruhe bemerkt. »Was ist los?«, fragte sie da Gama und deutete ängstlich auf die bewaffnete Palastwache, die ganz entgegen der sonstigen Gepflogenheiten rechts und links neben der Tür Stellung bezogen hatte.
»Ich weiß es nicht, Suleika«, antwortete da Gama offen. »Irgendetwas geht hier vor und ich bin sicher, dass es für uns nicht von Vorteil ist.«
In diesem Augenblick bat der Zeremonienmeister um Ruhe und eröffnete die Sitzung.
Der Vorsitzende des Rates, Dom Salvator, ergriff zuerst das Wort: »Nun, liebe Freunde, wir haben uns heute versammelt, um darüber zu entscheiden, ob unserem tüchtigen Seefahrer Vasco da Gama Gelder für eine erneute Expedition ins indische Hinterland zur Verfügung gestellt werden sollen. Unbestritten ist das Verdienst da Gamas für die portugiesische Krone. Ebenso unbestritten wie seine Fähigkeiten als Kapitän und Entdecker. Doch waren es sein Ehrgeiz und sein diplomatisches Geschick, die dafür gesorgt haben, Handelsabkommen mit dem Zamorin von Kalikut vorzubereiten? Was bewog unseren unerschrockenen Kapitän, die Tochter des indischen Herrschers nach Portugal zu bringen?«
Dom Salvator war während seiner Rede im Ratssaal auf und ab gegangen. Jetzt lenkte er seine Schritte zum Platz Suleikas und blieb vor ihr stehen. Er wandte den Kopf halb zu den Mitgliedern des Rates, ließ die Prinzessin jedoch nicht aus den Augen.
»Die meisten von uns sind Ehemänner und Väter von Töchtern«, sprach er weiter. »Gibt es unter uns nur einen einzigen, der seine Tochter einem fremden Seemann übergeben und gestattet hätte, nur in Begleitung eines Dieners monatelang auf einem Schiff voller Männer in ein fernes Land zu reisen?«
Die Männer schüttelten den Kopf. Dom Salvator nickte. »Nun, ich glaube nicht, dass der Herrscher von Kalikut in dieser Hinsicht anders ist als wir. Genauso wenig wie wir würde er die Tugend seiner einzigen Tochter aufs Spiel setzen und ihr gestatten, ein Schiff voller Männer zu betreten, um als einzige Frau mit ihnen die Ozeane zu durchqueren. Ein Verhalten übrigens, dass nicht nur für eine Prinzessin skandalös ist. Nein, jeder Bürger dieses Landes, gleichgültig ob von Adel, Handwerker oder einfacher Bauersmann, würde seine Zustimmung zu solch einem Unternehmen verweigern. Ja, es ist sogar die Pflicht eines jeden Vaters oder Vormunds, sich diesen Absichten mit aller Kraft entgegen zu stellen.«
Wieder füllte zustimmendes Gemurmel den Raum. Doch da sprang Vasco da Gama auf und rief: »Wollt Ihr an meiner Ehre zweifeln? An der Tugend der Prinzessin? Keiner meiner Leute ist ihr jemals zu nahe gekommen! Nie!«
»Niemand hat bis jetzt an Eurer Ehre gezweifelt, Dom Vasco. Doch Euer Verhalten widerspricht sämtlichen christlichen Gepflogenheiten und wirft daher Fragen auf. Fragen, für die Ihr zur rechten Zeit Rede und Antwort stehen müsst.
Wir, die Berater des Königs und seine Majestät Höchstselbst sind zu dem Schluss gekommen, dass es nur zwei Erklärungen für den, nennen wir es ›Besuch‹ der indischen Prinzessin geben kann: Entweder ist Suleika als Kundschafterin ihres Vaters ins Königreich Portugal gekommen und Vasco da Gama ist ein
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