Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Tölpel, weil er diese Absicht nicht durchschaut hat. Oder aber Vasco da Gama ist kein Tölpel, sondern ein Narr, weil er sich hinter dem Rücken seines Königs mit dem indischen Herrscher verbündet hat und auf eigene Rechnung und auf Kosten des Königs neue Eroberungen plant. Dies ist die Meinung des königlichen Rates und die Meinung des Königs. Als Beweis dient die Aussage eines Seemannes, der auf der Sao Gabriel dabei war und von einer Karte berichtet hat. Da Gama hat aber bei den Plänen für seine neue Fahrt keine Karte vorgelegt.«
Laute Ausrufe der Empörung gingen durch den Saal. Vasco aber war wutentbrannt aufgesprungen und stand nun vor Dom Salvator. Er hatte die Hände zu Fäusten geballt, seine grauen Augen zu schmalen Schlitzen zusammengepresst und das Kinn weit vorgereckt: »Ihr wagt es, mich einen Tölpel oder Narren zu nennen! Ihr wagt es, meine Ehre zu beschmutzen! Verdächtigt mich sogar des Hochverrats!«
Im Saal war es inzwischen totenstill geworden. Alle Augen waren auf Vasco da Gama und Dom Salvator gerichtet, die sich in der Mitte des Saales gegenüberstanden.
»Nun, die Tatsachen sprechen für sich«, antwortete Dom Salvator und wich einen Schritt zurück.
Dom Vasco griff nach dem Wams des königlichen Ratsmitgliedes und schüttelte den Mann, der nun ganz blass wurde. Vor Wut brachte der Graf von Vidiguera aber kein Wort über die Lippen.
Die Anwesenden waren inzwischen von ihren Sitzen aufgesprungen, doch niemand wagte es, sich zwischen da Gama und Dom Salvator zu stellen. Der König war es schließlich, der den Palastwachen ein Zeichen gab. Die Männer schritten in ihren schweren Kettenhemden und silbernen Helmen klirrend durch den Saal, die rechte Hand bereits am Griff ihres Säbels.
Sie packten da Gama, zogen ihn von dem verängstigten Ratsmitglied weg und nahmen ihn so fest in ihre Mitte, dass er sich beinahe nicht mehr bewegen konnte. Vasco trat nach den Wachen, versuchte vergeblich, sich aus dem eisenharten Griff zu befreien. Der König hatte sich von seinem Sitz erhoben und war gemessenen Schrittes zu seinem einstigen Günstling getreten. »Vasco da Gama, Graf von Vidiguera und Admiral der portugiesisch-königlichen Flotte. Ich, König Manuel I. von Portugal, entziehe Euch hiermit sämtliche Ämter und Befugnisse und überstelle Euch der königlichen Gerichtsbarkeit.«
Das ist alles nur ein böser Traum, dachte da Gama. Er war unfähig zu begreifen, was hier vorgefallen war. Unfähig auch, die Vorwürfe zu entkräften. Eine ohnmächtige Wut tobte heiß in seinen Adern, brachte sein Blut zum Kochen. Er war kalkweiß und hatte den Mund geöffnet, bereit sich zu verteidigen, seine Ehre zu rächen, diesen ganzen wahnsinnigen Irrtum aufzuklären, doch seine Zunge versagte ihm den Dienst. Die Worte drängten in seinen Mund, doch es waren zu viele auf einmal, als dass sie zu einem vernünftigen Satz zusammengesetzt werden konnten. Nur ein heiseres Röcheln, ein Keuchen quälte sich aus seinem Mund. Sein Blick suchte die Männer, die gestern noch um seine Freundschaft buhlten, ihm auf die Schultern geklopft und seinen Freund genannt hatten. Doch er traf nur auf verschlossene Gesichter. Dom Alvarez hatte die Augen gesenkt und betrachtete angelegentlich den Faltenwurf seines Überrockes. Und der Graf von Corvilhas lümmelte auf der Bank, hatte die Beine gespreizt von sich gestreckt und die Arme vor der Brust verschränkt. Das Lächeln auf seinem Gesicht war tückisch, so dass Vasco da Gama sich am liebsten sofort auf ihn gestürzt hätte. Doch der Griff der Palastwachen war eisenhart und verhinderte jeden Befreiungsversuch.
»Abführen«, befahl der König. »Bringt ihn nach unten ins Verliesgewölbe zu den anderen Verbrechern. Nehmt auch die Prinzessin und ihren Diener mit. Nehmt ihnen ihre Wertsachen ab und sorgt dafür, dass sie bei Wasser und Brot über ihre Vergehen nachdenken können.«
Vor Entsetzten wie erstarrt und unfähig, sich zu wehren, wurden Vasco da Gama und die beiden Fremdländer von den Wachen hinausgeführt. Sie hatten schon beinahe den Ausgang erreicht, als es da Gama gelang, sich kurz loszureißen. Er wandte sich nach dem König um und rief mit aller Kraft, mit aller Wut und aller Enttäuschung: »Ich verfluche Euch. Ich verfluche den königlichen Rat, die Admirale und auch Euch, König Manuel I. verfluche ich auch.«
War er von Sinnen? Diese Worte genügten, um ihn auf den Scheiterhaufen zu bringen! Atemlos verfolgten die anderen die Reaktion des Königs. Doch
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