Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
würden und sie nicht an Land gehen konnte, unbewegt zur Kenntnis genommen. »Wenn das Schicksal bestimmt, dass ich hierbleiben soll, so werde ich eben hierbleiben«, war alles, was sie gedacht hatte. Sie ärgerte sich noch immer über ihr unfreundliches Benehmen der Prinzessin von Kalikut gegenüber, doch gleichzeitig wusste sie noch immer nicht, mit welchen Karten Suleika spielte.
Ich werde es herausbekommen, beschloss Charlotta, und notfalls allein und ohne ihre Hilfe um Vasco kämpfen. Das Schicksal lügt nicht und hat schon vor langer Zeit seinen Namen in meine Hand geschrieben. Sei es, wie es sei. Ich werde warten und zum rechten Zeitpunkt handeln.
Sie waren jetzt schon über eine Woche auf See und noch immer war kein Zeichen von Vasco in Sicht. An manchen Tagen kreuzten andere Segelschiffe ihren Kurs. Die Kapitäne fuhren ihre Karavellen so dicht nebeneinander, dass sie sich durch Rufe miteinander verständigen konnten. Da dies die einzige Möglichkeit war, Nachrichten zu erhalten, stand zu diesen Zeiten die gesamte Mannschaft an Bord und lauschte gespannt den Berichten der anderen. Zwei Handelsschiffe, eine Fischfangflotte aus drei kleinen Seglern und ein Schiff, das Sklaven aus Afrika nach Genua bringen sollte, waren ihnen bisher begegnet, doch nicht einer von ihnen hatte Vasco da Gamas Schiff erwähnt. Allmählich verzagte Charlotta.
Immer wieder beobachtete sie Arabinda, der am Ruder stand und den Kurs bestimmte, während Dom Pedro über seine Karten gebeugt daneben stand und nur hin und wieder kontrollierte, ob die Sao Manuel die richtige Richtung einschlug.
Hoch gewachsen, stolz und unnahbar stand der Fremde hinter dem Ruder. Mit unbewegter Miene sah er über das Wasser und schwieg. Nur selten sprach er zu Dom Pedro, hielt sich auch von der Mannschaft fern.
Auch jetzt, am frühen Morgen, der gerade erst vor der Nacht geflüchtet war, stand er an seinem Platz, grüßte seine Herrin mit einem demütigen Neigen des Kopfes und starrte wieder aufs Wasser.
Jorges und Nino waren damit beschäftigt, das Beiboot zu Wasser zu lassen. Das Einstiegen gestaltete sich als schwierig, und Charlotta fühlte sich wie eine Seiltänzerin auf dem Jahrmarkt, als sie die wackelige Strickleiter über die Bordwand hinabturnte und in das schaukelnde, kleine Holzboot sprang.
Die Fahrt zur Bucht Terra Alta verlief schweigend. Während Nino und Jorges mit kräftigen Schlägen ruderten, betrachtete Suleika den Himmel, Charlotta, der das frühe Aufstehen Schwierigkeiten bereitet hatte, hielt die Augen geschlossen und döste vor sich hin.
Endlich ankerten sie. Die beiden jungen Fischer warfen einige Netze aus und bereiteten die Angeln vor, indem sie dünne, aber feste Fäden, Schiffszwirn genannt, an langen, geschnitzten Stöcken befestigten. Dann spitzten sie einen schmalen Eisensplitter an und bogen ihn zu einem S, worauf sie schließlich ein Klümpchen Brotteig spießten. Sie hängten diese Angeln ins Wasser. Nino, der vom Kapitän zum Befehlshaber der winzigen Mannschaft bestimmt worden war, fragte in einem Ton, den er für gebieterisch hielt: »Was habt Ihr für uns zum Essen eingepackt, Frauen? Wir haben Hunger! Los, richtet uns ein Mahl.«
Charlotta konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als sie sah, wie angestrengt Nino versuchte, seinen Befehlshaberpflichten nachzukommen.
»Wir haben Brot, Senhor«, erwiderte Charlotta und wühlte in einem Weidenkorb. »Brot, etwas eingelegtes Gemüse und einige Fleischscheiben. Dazu mehrere Kannen Dünnbier und etwas Wasser. Wünscht Ihr, dass wir Euch das Mahl richten?«
Nino nickte ernsthaft und prüfte dann gewissenhaft die Netze, obwohl nach so kurzer Zeit noch gar nichts darin sein konnte.
Während Charlotta sich um das Essen kümmerte, besorgte Suleika die Getränke. Die beiden Frauen hatten seit ihrer kleinen Auseinandersetzung noch kein weiteres Wort miteinander besprochen. Zwar hatte Charlotta ihr nach wie vor in der Küche geholfen, doch hatte sie jeden Kontakt vermieden und sogar mit Blicken gegeizt.
Jetzt jedoch beobachtete sie aus den Augenwinkeln, wie sich Suleika an den Kannen zu schaffen machte. Sie sah sehr genau, wie die andere ein winziges Päckchen aus ihrem Ärmel schüttelte, es öffnete und in eine der Kannen ein graues Pulver schüttete, während sie die andere nicht antastete. Sie schwenkte die Kanne mehrmals leicht hin und her, machte einige kreisende Bewegungen damit.
Wollte Suleika sie alle vergiften?, fragte sich Charlotta und beschloss, auf der
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