Im Sturm der Leidenschaft (German Edition)
Hut zu sein. Auch Jorges würde nichts von dieser heimtückischen Mischung trinken, dafür würde sie sorgen. Es wäre ein Leichtes gewesen, die Prinzessin von Kalikut ein bisschen anzustoßen, den Kahn ins Kippeln zu bringen und so dafür zu sorgen, dass sich der Inhalt der Kanne ins Meer ergoss. Ebenso leicht wäre es, in ein großes Geschrei auszubrechen, den Männern ihre Beobachtung mitzuteilen und anschließend zuzusehen, wie Jorges und Nino Suleika zwingen würden, den eigenen Trank bis auf den letzten Tropfen zu leeren.
Doch Charlotta tat nichts von alledem. Sie wartete ab und überlegte.
Suleika war eine kluge, vorausschauende Frau. Sie wusste genau, was sie da tat – und sie hatte für ihr Handeln einen triftigen Grund. Was würde es ihr nützen, sie alle zu vergiften? Gut, sie hätte das kleine Beiboot und könnte damit versuchen, die Küste zu erreichen. Die Sao Manuel war schwer und träge beim Manövrieren. Von ihr drohte nicht so schnell eine Gefahr, bis sie erst die Flucht bemerkte. Aber würde Suleika ohne Geld und ohne ihren getreuen Arabinda fliehen?
Nein. Charlotta schüttelte unmerklich den Kopf. Was würde ihr das bringen? Allein in einem fremden Land, dessen Sitten und Gebräuche sie nicht kannte, deren Sprache sie noch nicht einmal sehr gut beherrschte. Viel zu leicht wäre sie die Beute eines Sklavenhändlers oder eines anderen Halunken. Und überhaupt: Wollte sie etwa auf dem Landweg nach Kalikut? Sich fahrenden Händlern oder gar Gauklern anschließen? Nein, auch das würde Suleika gewiss nicht tun. Die Gefahr eines Unheils, einer Schändung sogar, wäre viel zu groß.
Wieder wollte Charlotta den Kopf schütteln, doch ein plötzlicher Einfall ließ sie innehalten. Vielleicht hatte die Prinzessin von Kalikut einen Treffpunkt mit Vasco da Gama vereinbart? Vielleicht lauerte er schon ganz in der Nähe und wartete nur darauf, Suleika an Bord zu nehmen und mit ihr über die sieben Meere zu verschwinden?
»Los, Doña, beeilt Euch, ich sterbe vor Hunger. Brecht mir das Brot und reicht mir ein Stück. Und legt eine kräftige Scheibe Bratenfleisch obenauf. Beeilt Euch.«
Ninos barsche Anweisungen unterbrachen ihre Gedanken. Sie nickte ihm mit einem falschen Lächeln zu.
»Gleich, Nino, gleich. Habt noch ein wenig Geduld, Senhor. Ihr möchtet Euer Mahl doch nicht ungewürzt?«
Sie entkorkte ein kleines Fässchen aus poliertem und gewachstem Holz und gab reichlich Salz auf Fleisch und Brot. Ihre Gedanken eilten sofort wieder zu Suleikas Pulver und ihren diesbezüglichen Vermutungen, so dass ein wenig zu viel von den weißen Salzkristallen auf das Bratenstück gerieten. Doch Charlotta kümmerte sich nicht darum.
Was soll ich nur tun?, überlegte sie fieberhaft und bemerkte dabei gar nicht, dass sie das Brot in ihrer Hand zerkrümelte. Soll ich Alarm schlagen? Sie sah vorsichtig zu Suleika und erschrak beinahe, als diese ihren Blick erwiderte. Ganz leicht nur nickte die Prinzessin von Kalikut ihr zu. Um ihren Mund spielte ein freundliches, beruhigendes Lächeln. Vertraut mir, alles wird gut, schien dieses Lächeln zu sagen. Und Charlotta beschloss, abzuwarten. Sie reichte dem jungen Fischer, der noch immer überaus ernst und beinahe streng dreinschaute, das Brot und vergaß auch nicht, Jorges sein Mahl zu reichen.
Nachdem die beiden sich an dem Mahl gestärkt hatten, nahm Suleika den Krug, in dem das Pulver war, und wandte sich an Nino. »Dem Kapitän steht ein eigener Krug zu. So habe ich es auf der Sao Manuel gelernt. Es ziemt sich nicht für einen Befehlshaber, sich mit der Mannschaft gemein zu machen. Deshalb hier ein Krug nur für Euch. Das Bier darin ist etwas stärker. Unseren Krug«, sie zeigte auf das Gefäß, das neben ihr stand »habe ich mit Wasser verdünnt. Ich hoffe, dies ist Euch recht, Senhor.«
Nino nickte hoheitsvoll und nahm Suleika den Krug gnädig ab, setzte ihn an die Lippen und trank. Er war durstig vom vielen Salz auf seinem Mahl. Suleika und Charlotta beobachteten, wie er mit gierigen Schlucken trank und sein Adamsapfel dabei auf und nieder hüpfte wie ein Lumpenball.
Er hatte den Krug fast bis auf den Grund geleert, als er sich an Jorges erinnerte. »Hier, mein Freund. Trink auch du aus meiner Kanne. Wir sind Männer, müssen zusammen halten.«
Jorges sah Charlotta fragend an, doch diese schüttelte leicht den Kopf.
Um Gottes willen, dachte sie. Trink bloß nichts von diesem Zeug!
»Ich bin nicht durstig«, sagte Jorges und biss als Beweis noch einmal kräftig
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