Im Sturm der Sinne
aller Kraft versuchte sie die Knie zusammenzuhalten, aber er lachte nur und spreizte ihre Beine noch weiter. All die Träume der vergangenen Jahre, wie sie sich einem der edlen Ritter aus dem Buch hingab, verwandelten sich gerade in ihren schlimmsten Alptraum. Verzweifelt versuchte sie ihn zu beißen. Sie erwischte sein Kinn, und biss so fest, dass es blutete.
Er hob die Faust und sie drehte ihren Kopf, um sich für den Schlag zu wappnen. Vielleicht war es das Beste, wenn er sie bewusstlos schlug. Als könnte er ihre Gedanken lesen, ließ er seine Hand sinken und drehte sie unter sich grob um.
»So kannst du nicht viel anrichten. Und ich komme tiefer rein.«
Deidre versuchte sich gegen ihn zu stemmen, bemerkte aber, dass sie damit mehr ihm half als sich selbst. Sie biss ihre Zähne zusammen.
Bâtard.
Dann, plötzlich, verschwand sein Gewicht und sie konnte wieder atmen. Sie drehte sich um, setzte sich auf, hielt sich die Hände schützend vors Gesicht und schnappte nach Luft.
»Ich glaube, das Mädchen will dein Spiel nicht spielen, Niall.«
Die Stimme eines Engels – so musste es sein. Ein sanftes, tiefes, schottisches Murmeln, nicht bedrohlich, aber Respekt gebietend.
Deidre öffnete ein Auge und schaute nach oben.
Bei allen Heiligen.
Es hätte der Erzengel Michael selbst sein können, mitsamt seinem flammenden Schwert. Ehrliche Wut zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als er sich jetzt mit seinem Claymore, seinem Zweithandschwert, über ihren Angreifer beugte. Erleichterung überschwemmte sie, und sie konnte nicht umhin, seine in Leder gewandeten, muskulösen Oberschenkel auf der Höhe ihres Gesichts zu bewundern. Sie zwang ihren Blick über den flachen Bauch und die schmalen Hüften nach oben. Die Flammen des Feuers erleuchteten sein feingemeißeltes Gesicht mit hohen Wangenknochen, einer geraden Nase und einem sündhaft sinnlichen, vollen Mund. Der Wind fuhr durch das schulterlange glatte Haar ihres Retters und presste das weite weiße Hemd an seine breite Brust und seine starken Arme. Ein Wimmern entfuhr ihr. So sollten Engel nicht aussehen. Falls doch, würde sie auf jeden Fall öfter diese langweiligen und bisher so verhassten Gottesdienste besuchen.
»Es ist Beltane, Mann!«, brüllte Niall wütend. »Warum treibt sie sich hier herum, wenn sie nicht genommen werden will?«
Beltane. Das uralte heidnische Fruchtbarkeitsfest, das am
1
. Mai begangen wird.
Daran hatte sie nach der knappen Flucht der vergangenen Nacht überhaupt nicht mehr gedacht.
Ihr engelsgleicher Retter wandte sich mit prüfendem Blick zu ihr um. »Ich weiß nicht, was sie hier tut, aber ich werde dafür sorgen, dass dieses Mädchen zurückkehren kann, wohin sie will.« Niall warf ihm einen herausfordernden Blick zu. »Sicher und unbehelligt«, fügte er hinzu, als er den Blick des Älteren auffing.
Niall starrte ihn mürrisch an und bedeutete dann seinen Männern mit einer Geste, dass sie aufbrechen würden. Mit unheilverheißender Miene blickte er auf Deidre herab. »Wir werden uns wiedersehen, Mädchen. Keine Frau treibt ihre Spielchen mit mir.«
Sie schauderte, als er sich umdrehte und seine Schärpe glättete. Und dann bot ihr der Engel seine Hand.
Sie legte ihre Hand in seine. Starke, warme Finger umschlossen die ihren und schickten ein leichtes Kribbeln über die Haut an ihrem Arm. Stützend legte er seinen Arm um ihre Hüfte, nachdem sie sich erhoben hatte, und das kleine Kribbeln verwandelte sich in züngelnde Flammen, die ihren Bauch aufwühlten. Nichts wollte sie lieber, als ihren Busen, der plötzlich schmerzte, an seine starke Brust zu drücken. Selbst ihre wildesten Träume über die Ritter aus Camelot hätten keine solche Leidenschaft hervorrufen können.
»Mein Name ist Gilead. Geht es dir gut? Hat er dich verletzt?«
Gilead.
Vielleicht war der Vergleich mit dem Erzengel Michael doch nicht so weit hergeholt. Der Name Gilead gehörte in den Stammbaum, der über König Salomon und David bis zu Abraham zurückführte. Der Vater des ersten Gilead hieß Michael. Hatte dieser Gilead etwas mit dem Stein zu tun, den zu suchen sie ausgezogen war? Manchmal führten sie ihre Visionen auf seltsame Wege. Sie wünschte nur, ihre Gabe wäre verlässlicher.
In jedem Fall hatte er die leuchtendsten blauen Augen, die sie jemals gesehen hatte. Sogar in der Dämmerung konnte sie erkennen, dass sie von dichten schwarzen Wimpern umrandet waren, für die jede Frau töten würde. Sein sauberer Geruch nach Seife und Leder benebelte
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