Im Sturm des Lebens
mal nachsehen, ob sie bereit ist, den Vorhang zu heben.«
3
L a Signora übereilte ihren Einsatz nie. Sie hatte das Menü persönlich geplant. Es sollte üppig sein, das Essen jedoch zwanglos verlaufen. Die Weine stammten aus den kalifornischen Weinbergen, sowohl von den Giambellis als auch von den MacMillans. Auch das war sorgfältig geplant.
Während des Essens würde sie nicht übers Geschäft reden. Und sie würde, sehr zu Ginas Verärgerung, auch nicht zulassen, dass drei schlecht erzogene Kinder am Tisch saßen. Sie waren mit einem Dienstmädchen ins Kinderzimmer geschickt worden. Das Mädchen würde einen Bonus und Teresas ewigen Respekt erhalten, wenn sie es eine Stunde lang mit ihnen aushielt.
Als Teresa sich dazu herabließ, mit René zu sprechen, geschah dies mit eisiger Förmlichkeit. Sie empfand widerwillige Bewunderung für das Rückgrat der Frau. Es hatte schon andere gegeben, viele andere, die unter ihrer Frostigkeit sichtlich zusammengebrochen waren.
Neben ihrer Familie und Helen, die sie als dazugehörig empfand, hatte sie ihren vertrautesten Winzer und seine Frau eingeladen. Paulo Borelli war seit achtunddreißig Jahren bei Giambelli Kalifornien. Trotz seines Alters wurde er immer noch Paulie gerufen. Seine Frau Consuelo, eine mollige, fröhliche Person mit lautem Lachen, war früher einmal Küchenmädchen in der Villa gewesen.
Zuletzt gesellte sich noch Margaret Bowers zu ihnen, die Leiterin der Verkaufsabteilung von MacMillan. Sie war eine geschiedene Frau von sechsunddreißig Jahren, die im Moment dank Ginas Geschnatter fast zu Tode gelangweilt war und sich verzweifelt nach einer Zigarette sehnte. Tyler warf ihr einen Blick zu und schenkte ihr ein mitfühlendes Lächeln.
Manchmal sehnte Margaret sich auch verzweifelt nach ihm.
Als die Teller abgeräumt waren und Port in den Gläsern funkelte, lehnte Teresa sich in ihrem Stuhl zurück.
»In einem Jahr feiert Castello di Giambelli seinen hundertsten Geburtstag«, begann sie. Sofort hörten alle Gespräche auf. »Villa Giambelli macht seit vierundsechzig Jahren Wein in Napa Valley. MacMillan gibt es seit zweiundneunzig Jahren. Zusammen ergibt das zweihundertfünfundsechzig Jahre.«
Sie blickte sich um. »Fünf Generationen lang sind wir Winzer und Weinhändler gewesen.«
»Sechs, Zia Teresa«, warf Gina hastig ein. »Mit meinen Kindern sind es sechs.«
»Nach dem, was ich gesehen habe, werden aus deinen Kindern wahrscheinlich eher Kriminelle als Winzer. Bitte unterbrich mich nicht.«
Sie hob ihr Glas Portwein, roch daran und nahm langsam einen Schluck. »In diesen fünf Generationen haben wir uns auf zwei Kontinenten den Ruf erworben, Qualitätsweine zu produzieren. Der Name Giambelli steht für guten Wein. Wir haben Traditionen etabliert und sie mit neuen Methoden und neuer Technologie gemischt, ohne diesen Namen oder seine Bedeutung zu opfern. Wir werden ihn nie opfern. Vor zwanzig Jahren haben wir uns mit einem anderen guten
Weingut zusammengetan. MacMillan aus Napa Valley produziert seitdem gemeinsam mit Giambelli Kalifornien. Die Partnerschaft ist gut gereift. Jetzt ist es an der Zeit, die Früchte des Erfolgs zu ernten.«
Sie spürte eher, als dass sie es sah, wie Tyler erstarrte. Sie rechnete es ihm hoch an, dass er seine Zunge im Zaum hielt, und sah zu ihm hin. »Veränderungen sind notwendig und gereichen beiden zum Vorteil. Die nächsten hundert Jahre beginnen heute. Donato!«
Don richtete sich aufmerksam auf. »Sì , ja«, verbesserte er sich, als ihm einfiel, dass Teresa in Kalifornien ungern italienisch sprach. »Ja, Tante Teresa.«
»Giambelli Italien und Kalifornien sind unabhängig voneinander geführt worden. Das wird zukünftig nicht mehr der Fall sein. Du wirst fortan dem Geschäftsführer des neu gegründeten Giambelli-MacMillan-Unternehmens berichten, das Standorte in Kalifornien und Venedig haben wird.«
»Was bedeutet das? Was bedeutet das?«, rief Gina aufgebracht auf Italienisch. »Donato ist der Geschäftsführer! Er ist der Nächste in der Erbfolge! Er trägt den Namen! Er ist dein Erbe!«
»Mein Erbe ist derjenige, den ich dazu mache.«
»Wir haben dir Kinder geschenkt!« Gina stand auf, schlug sich mit der Hand auf den Bauch, und machte dann mit dem Arm eine verächtliche Geste in die Runde. »Drei Kinder, und es werden noch mehr kommen. Niemand außer mir und Donato schenkt der Familie Kinder! Wer wird denn den Namen weiterführen, wenn du einmal nicht mehr bist, wenn nicht meine
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