Im Sturm des Lebens
hat es nicht besonders gut gemacht.« Entschuldigungen. Seit fast dreißig Jahren suchte sie nach Entschuldigungen für Anthony Avano. Eine Gewohnheit, die sie nur schwer ablegen konnte.
»Lass dich davon nicht verletzen. Er ist immer noch dein Vater. Was auch immer geschieht, er wird stets dein Vater sein.«
»Er war mir nie ein Vater.«
Pilar wurde blass. »Oh, Sophia.«
»Nein, nein.« Wütend auf sich selbst hob Sophia abwehrend die Hand. »Ich bin grässlich. Es geht gar nicht um mich, aber ich kann nicht anders, ich muss es einfach auch auf mich beziehen. Dabei geht es noch nicht mal um ihn«, sagte sie ruhiger. »Er merkt es ja gar nicht. Aber sie . Sie wusste genau, was sie da tut. Und sie wollte es unbedingt tun. Ich hasse sie dafür, dass sie einfach zu uns nach Hause kommt und dir das zumutet – nein, verdammt noch mal, es uns allen zumutet! Uns allen.«
»Du übersiehst einen Faktor, Kind. René liebt ihn vielleicht.«
»Oh, bitte .«
»Sei nicht so zynisch. Ich habe ihn doch auch geliebt, warum sollte sie es dann nicht tun?«
Sophia wandte sich ab. Am liebsten hätte sie gegen irgendetwas getreten, irgendetwas zerbrochen. Und dann die Scherben in Renés makelloses, kalifornisches Gesicht gedrückt. »Sie liebt sein Geld, seine Stellung und seinen verdammten Kontostand!«
»Wahrscheinlich. Aber er ist ein Mann, der die Frauen dazu bringt, ihn zu lieben – mühelos.«
Sophia hörte die Wehmut in der Stimme ihrer Mutter. Sie hatte noch nie einen Mann geliebt, aber sie wusste, wie es sich anhörte. Ihre Wut schwand, als sie die Hoffnungslosigkeit im Tonfall ihrer Mutter hörte. »Du hast nie aufgehört, ihn zu lieben.«
»Es wäre sicher besser gewesen. Versprich mir eins: Mach keine Szene.«
»Ich gebe zwar nur ungern nach, aber vermutlich hat eisiges Desinteresse sowieso die größere Wirkung.«
Sophia küsste ihre Mutter auf beide Wangen, dann umarmte sie sie. »Geht es wieder, Mama?«
»Ja. Mein Leben ändert sich ja schließlich nicht, oder?« Oh, der Gedanke daran war niederschmetternd. »Eigentlich ändert sich gar nichts. Lass uns zurückgehen.«
»Ich sage dir, was wir tun«, begann Sophia, als sie wieder im Flur waren. »Ich überprüfe meinen Terminkalender, ob ich mir nicht ein paar Tage frei nehmen kann. Und dann fahren wir beide ins Spa. Wir werden uns bis zum Hals im Schlamm suhlen, lassen uns Gesichtsmasken machen und unsere Körper abrubbeln, massieren und polieren. Wir werden tonnenweise Geld für überteuerte Schönheitsprodukte ausgeben und uns den ganzen Tag im Bademantel herumlümmeln.«
Als sie an der Toilette vorbeikamen, ging die Tür auf und eine Brünette mittleren Alters trat heraus. »Das klingt ja verführerisch. Wann fahren wir?«
»Helen.« Pilar presste die Hand auf ihr Herz, während sie sich vorbeugte, um ihre Freundin auf die Wange zu küssen. »Du hast mich zu Tode erschreckt.«
»Tut mir Leid. Ich musste nur rasch aufs Klo.« Helen zog sich den Rock ihres steingrauen Kostüms über die Hüften, die sie sich ständig absaugen ließ, und vergewisserte sich, dass er richtig saß. »Der viele Kaffee, den ich auf dem Weg hierhin getrunken habe ... Sophie, du siehst ja toll aus! Also ...« Sie schob sich die Aktentasche unter den Arm und straffte die Schultern. »Die üblichen Verdächtigen sind im Salon?«
»Mehr oder weniger. Mir ist gar nicht eingefallen, dass du gemeint warst, als Mama sagte, die Anwälte kämen auch.« Und wenn ihre Großmutter Richterin Helen Moore herbestellt hatte, dann war es ernst, dachte Sophia.
»Pilar wusste nichts davon, und ich habe es auch erst vor ein paar Tagen erfahren. Deine Großmutter bestand darauf, dass ich diese Angelegenheit geheim halte.« Helens pfiffige graue Augen schweiften zum Salon.
Sie hatte seit fast vierzig Jahren mit den Giambellis und ihren Geschäften zu tun, und sie faszinierten sie immer wieder. »Sie hat euch alle im Dunkeln gelassen?«
»Sieht so aus«, murmelte Pilar. »Helen, es geht ihr doch gut, oder? Ich hatte angenommen, dass diese Angelegenheit hier und die Änderung ihres Testaments etwas damit zu tun hat, dass Signore Battista gestorben ist.«
»Soweit ich weiß, geht es La Signora gesundheitlich blendend wie immer.« Helen rückte ihre schwarze Hornbrille zurecht und schenkte ihrer ältesten Freundin ein aufmunterndes Lächeln. »Als ihre Anwältin kann ich dir leider nicht mehr über ihre Motivationen sagen, Pilar. Auch wenn ich sie völlig verstehe. Es ist ihre Show. Lass uns
Weitere Kostenlose Bücher