Im Sturm des Lebens
Reihen kahler Weinstöcke, die auf
die Sonne und die Wärme warteten, die sie wieder zu neuem Leben erweckten.
Sophia fuhr am MacMillan-Weingut vorbei, dessen verblichene Ziegelmauern von wildem Wein bewachsen waren. Das Gebäude stellte für sie den romantischen, schönen Eingang zu den Geheimnissen dar, die seine Keller bargen. Drinnen wendeten, wie bei Giambelli auch, die Arbeiter die Flaschen, in denen der Champagner reifte, oder bereiteten den Probierraum für eine Führung oder einen Weinclub vor.
Arbeit gab es in den Gebäuden, in den Kellern und in den Schuppen genug, auch wenn die Weinstöcke noch schliefen.
Und es gab auch genug Arbeit für Sophia in San Francisco.
Sie raste aus dem Tal hinaus wie eine Frau, die aus dem Gefängnis ausbricht. Ty fragte sich, ob sie sich wohl so vorkam.
»Warum ist mein Sitz warm?«
»Dein was? Oh.« Sie blickte lachend zu ihm herüber. »Ich habe gern einen warmen Hintern. Gefällt es dir nicht?« Sie stellte die Sitzheizung ab. »Erste Priorität hat unsere Jubiläumskampagne«, begann sie. »Zahlreiche Phasen, wie zum Beispiel die Auktion vor ein paar Tagen, sind schon angelaufen. Andere existieren erst auf dem Reißbrett. Wir suchen einen neuen Auftritt für einen neuen Wein – etwas Frisches, das dennoch die Tradition wahrt. Es muss Klasse haben und diskret sein, damit es unseren reiferen Kunden gefällt, aber auch etwas Freches, das den jüngeren und noch nicht so gut betuchten Markt interessiert.«
»Ja, gut.«
»Ty, auch hierbei musst du die Gründe und Konsequenzen verstehen. Den Wein zu verkaufen ist genauso wichtig wie das, was du tust. Sonst würdest du ihn ja nur für dich selbst machen, nicht wahr?«
Er setzte sich zurecht und versuchte, Platz für seine Beine zu finden. »Das wäre bestimmt einfacher.«
»Sieh mal, du produzierst unterschiedliche Weinqualitäten. Die beste, die in der Herstellung mehr kostet, die mehr kostet, wenn man sie in Flaschen füllt, mehr in der Lagerung, und so weiter, und dann deine mittlere Linie bis hinunter zum schlechtesten Wein. In der Vermarktung steckt viel mehr als nur der Wein selbst.«
»Ohne den Wein spielt aber alles andere keine Rolle.«
»Das mag sein, wie es will«, erwiderte sie mit, wie sie fand, heroischer Geduld. »Es ist auf jeden Fall Teil meines Jobs – und jetzt auch deines –, all diese unterschiedlichen Qualitäten den Verbrauchern zu verkaufen. Den individuellen Kunden und den Großkunden wie Hotels und Restaurants. Mit den Weinhändlern, den Brokern zu verhandeln und ihnen klar zu machen, dass sie Giambelli, oder von jetzt ab Giambelli-MacMillan, auf ihrer Liste haben müssen. Ich muss die Verpackung genauso verkaufen wie das, was in der Flasche ist.«
»Die Verpackung ist nebensächlich«, erwiderte er. »Der Inhalt zählt.«
»Das ist eine äußerst geschickte und subtile Beleidigung. Verpackung, Marketing und Werbung machen das Produkt überhaupt erst attraktiv für den Markt! Und dazu braucht man Leute – und Wein. Lass uns einen Moment beim Wein bleiben, ja?«
Seine Mundwinkel zuckten. Ihr Tonfall war kühl und scharf geworden, ein sicheres Zeichen dafür, dass er einen Punkt gemacht hatte. »Klar.«
»Ich muss die Idee des Produkts attraktiv, exklusiv, zugänglich, wesentlich und sexy machen. Also muss ich das Produkt kennen, und hier bewegen wir uns auf sicherem Grund. Aber ich muss auch den Kunden kennen und den Markt, den ich erobern will. Das musst du erst noch lernen.«
»Umfragen, Statistiken, Partys, Empfänge, Konferenzen ...«
Sie tätschelte ihm die Hand. »Du wirst es überleben.« Dann schwieg sie stirnrunzelnd. »Kennst du diesen Van?«
Aufmerksam beobachtete er, wie ein dunkler, neuer Minivan auf die Villa Giambelli zufuhr. »Nein.«
»Cutter«, murmelte Sophia. »Ich wette, es ist Cutter.«
»Wir könnten die Fahrt nach San Francisco aufschieben und es herausfinden.«
Das war ein verführerischer Gedanke, und Tys hoffnungsvoller Tonfall amüsierte sie. Sie schüttelte jedoch den Kopf und fuhr weiter. »Nein, damit würden wir ihn zu wichtig nehmen. Ich frage einfach meine Mutter aus, wenn ich nach Hause komme.«
»Ich möchte es auch gern wissen.«
»Wir spielen in dieser Geschichte auf Gedeih und Verderb zusammen, Ty. Ich hole dich in meine Liga, und du mich in deine.«
Es war ein langer Weg von Küste zu Küste. In gewisser Weise war es eine andere Welt, eine Welt, in der jeder ein Fremder war. Er hatte die Wurzeln ausgerissen, die er in den New
Weitere Kostenlose Bücher