Im Sturm des Lebens
Yorker Asphalt gesenkt
hatte, in der Hoffnung, dass er sie hier, in den Hügeln und Tälern Nordkaliforniens, wieder einpflanzen konnte.
Wenn es nur darum gegangen wäre, hätte sich David keine Sorgen gemacht. Er hätte es als spannendes Abenteuer empfunden, wie die gefährlichen Spiele, die er in seiner Jugend gespielt hatte. Aber jetzt war er ein Mann von dreiundvierzig Jahren und trug die Verantwortung für zwei Teenager – und es stand zu viel auf dem Spiel.
Wenn er mit Sicherheit gewusst hätte, dass es für die Kinder das Beste war, er bliebe bei Le Coeur in New York, dann wäre er auch geblieben. Aber er wäre dort erstickt, in dem Stahl und Chrom seines Büros. Und er war sich beileibe nicht sicher. Schließlich war sein sechzehnjähriger Sohn beim Ladendiebstahl erwischt worden, und seine vierzehnjährige Tochter hatte begonnen, sich die Zehennägel schwarz zu lackieren.
David hatte den Kontakt zu seinen Kindern verloren, und damit auch die Kontrolle über sie. Als ihm das Angebot von Giambelli-MacMillan in den Schoß fiel, kam es ihm vor wie ein Zeichen.
Ergreif die Chance. Fang neu an.
Der Himmel allein wusste, dass er das schon mehrmals getan hatte. Aber dieses Mal warf er das Glück seiner Kinder in die Waagschale.
»Das ist hier ja mitten im Nirgendwo.«
David blickte seinen Sohn im Rückspiegel an. Maddy hatte in San Francisco gewonnen, saß darum jetzt auf dem Beifahrersitz und versuchte verzweifelt, gelangweilt auszusehen. »Wie kann das Nirgendwo eine Mitte haben?«, fragte David. »Das habe ich mich immer schon gefragt.«
Er hatte das Vergnügen zu sehen, wie Theo das Gesicht verzog. Das kam im Augenblick bei ihm einem Lächeln am nächsten.
Er sieht wie seine Mutter aus, dachte David. Eine junge, männliche Version von Sylvia. Was, wie David wusste, weder Theo noch Sylvia gefallen würde. Das hatten sie auch beide gemeinsam: dass sie so bedacht darauf waren, als Individuen angesehen zu werden.
Bei Sylvia hatte dies bedeutet, dass sie sich von der Ehe und ihrem Dasein als Mutter verabschiedet hatte. Bei Theo ... nun, die Zeit würde es vermutlich zeigen.
»Warum muss es denn so regnen?« Maddy kroch in ihrem Sitz zusammen und versuchte, nicht so aufgeregt zu wirken, während sie das riesige Herrenhaus vor ihnen musterte.
»Nun, das hat etwas damit zu tun, dass sich Feuchtigkeit in der Atmosphäre sammelt, und dann ...«
»Dad!« Sie kicherte, und es klang wie Musik in Davids Ohren.
Hier würde er seine Kinder zurückgewinnen, was immer es auch kosten mochte. »Dann wollen wir mal La Signora kennen lernen.«
»Müssen wir sie so nennen?« Maddy verdrehte die Augen. »Das klingt ja wie im Mittelalter!«
»Wir fangen mal mit Ms. Giambelli an und warten einfach ab. Und wir sollten versuchen, normal auszusehen.«
»Das kann Mad nicht. Verrückte sehen nie normal aus.«
»Freaks auch nicht.« Maddy stieg mit ihren hässlichen schwarzen Stiefeln mit den dicken Plateausohlen aus dem Auto. Wie sie da im Regen stand, sah sie für ihren Vater wie eine Art exzentrischer Prinzessin
aus, mit langen hellen Haaren, einem Schmollmund und großen blauen Augen. Ihr kleiner Körper – sie war immer noch so ein kleines Ding! – war in zahlreiche schwarze Schichten gehüllt. Von ihrem rechten Ohrläppchen baumelten drei Silberketten hinunter – ein Kompromiss, dem David zugestimmt hatte, weil sie sich ursprünglich die Nase oder einen noch gefährlicheren Körperteil piercen lassen wollte.
Theo sah ganz anders aus. Groß, schlaksig, mit tiefbraunen Haaren, die lockig und ungekämmt um sein hübsches Gesicht hingen und ihm bis auf seine knochigen Schultern fielen. Seine Augen waren von einem blasseren Blau und für den Geschmack seines Vater zu oft verhangen und unglücklich. Er stand da in viel zu großen Jeans, in Schuhen, die fast so hässlich waren wie die seiner Schwester, und in einer hüftlangen Jacke.
Es sind nur Äußerlichkeiten, rief sich David ins Gedächtnis. Hatten seine Eltern nicht auch ständig an seinem Aussehen herumgenörgelt, als er in dem Alter war? Und hatte er sich nicht gelobt, dass er das bei seinen Kindern nie machen würde?
Aber bei Gott, er wünschte, sie würden wenigstens Kleidungsstücke tragen, die ihnen passten.
Er ging die Treppe hinauf und stand vor der geschnitzten Eingangstür zur Villa. Unruhig fuhr er sich mit den Händen durch seine dichten, dunkelblonden Haare.
»Was ist los, Dad? Nervös?«
Die Stimme seines Sohnes klang spöttisch und zerrte
Weitere Kostenlose Bücher