Im Sturm erobert
schon fast aufgehört. Ich werde eine Schere brauchen, um das Hemd von der Wunde wegzuschneiden.«
»In meinem Schreibtisch. Obere rechte Schublade.« Leo griff mit der rechten Hand nach der Brandyflasche. »Was für Erfahrung?«
Sie ging rasch zum Schreibtisch. »Wie bitte?«
»Ihr habt Finch gesagt, Ihr hättet einige Erfahrung mit solchen Dingen.« Er goß Brandy in ein Glas, kippte ihn mit einem Zug hinunter und füllte das Glas noch einmal nach. »Angesichts der Tatsache, daß Ihr mich in die Rolle Eures Patienten gezwungen habt, glaube ich, habe ich das Recht, das Ausmaß Eurer medizinischen Kenntnisse zu erfahren.«
»Mein Vater war Pfarrer, bevor er in Pension ging.« Beatrice öffnete die Schublade und fand die Schere. »Meine Mutter war natürlich die Frau eines Pfarrers.«
»Und was heißt das?«
Beatrice ging mit der Schere auf ihn zu. »Sie hat ihre Verantwortungen sehr ernst genommen. Sie setzte sich nicht nur für wohltätige Zwecke ein, sie assistierte auch häufig dem Dorfarzt und der Hebamme.« »Und sie hat Euch beigebracht, was sie gelernt hat?« Leo beäugte mißtrauisch die Schere.
»Sobald ich alt genug war, habe ich sie begleitet, wenn sie zu Verletzten oder Verwundeten gerufen wurde.« Beatrice schnitt das Hemd mit raschen vorsichtigen Bewegungen von der Wunde weg. »Ich habe natürlich sehr viel gelernt.«
»Eure Mutter ist also, soweit ich das verstehe, eine von diesen irritierenden Frauen, die sich guten Taten verschrieben haben?« Beatrice lächelte. »Meine Mutter, Sir, gehört zu den Frauen, die sofort das Kommando übernehmen, egal, für welches Projekt sie glauben, sich engagieren zu müssen. Wenn sie nicht meinen Vater geheiratet hätte, hätte sie sich wohl damit beschäftigt, Wellington während des Krieges Ratschläge zu erteilen.«
»Ihr Talent zur Kommandoübernahme habt Ihr offensichtlich geerbt.« Er pfiff durch die Zähne, als sie den Rest des Leinens wegzog. »Vorsicht, Madam. Diese Schulter hat heute nacht schon genug gelitten.«
Sie beäugte die offene rote Furche und stellte erleichtert fest, daß die Wunde nicht tief war. »Ich habe ein oder zwei Schußwunden gesehen.«
»Wie mir scheint, habt Ihr ein abenteuerliches Leben geführt, Mrs. Poole.«
»Sie waren das Ergebnis von Jagdunfällen. Solche Verletzungen können ziemlich bösartig sein. Aber in diesem Fall hat Euch die Kugel nur gestreift. Wenn sie ein paar Zentimeter tiefer eingeschlagen hätte -«
»Ich wurde gewarnt.« Er drehte den Kopf, um sich seine Schulter anzusehen. »Ich hab Euch gesagt, daß es nichts Ernstes ist.«
»Jede Verletzung kann ernst werden, wenn sie nicht ordentlich versorgt wird.«
Finch erschien in der Tür. »Das frische Leinen und das Wasser, das Ihr verlangt habt, Madam.«
»Bring es bitte hierher. Dann kannst du Seiner Lordschaft ein sauberes Hemd bringen.« »Ja, Madam.« Finch stellte das Tablett auf einem Tisch ab und eilte wieder davon.
»Armer Finch«, murmelte Leo. »Ich fürchte, er wird nie mehr der Mann sein, der er einmal war. Ihr habt ihn völlig unterworfen, Mrs. Poole.«
»Unsinn. Er zeigt einfach Vernunft, was man von Euch nicht behaupten kann, Sir.«
Beatrice legte die Schere beiseite und griff nach der Brandykaraffe.
Leo rang sich ein Grinsen ab. »Müßt Ihr Euch für die Aufgabe stärken, Mrs. Poole?«
»Ich habe nicht vor, das Zeug zu trinken, Sir. Macht Euch gefaßt.« Sie goß den Schnaps in die offene Wunde, bevor er ahnte, was sie vorhatte.
Leo pfiff durch die Zähne. »Verdammt. Verschwendung von gutem Brandy.«
»Meine Mutter war davon überzeugt, daß man Wunden mit starkem Schnaps reinigen sollte.« Beatrice stellte die Flasche beiseite. »Die Idee dazu hatte sie aus einem der Bücher in der Bibliothek meines Vaters.«
»Wo leben Eure Eltern?«
»Sie verbringen Ihren Lebensabend in einem netten kleinen Cottage in Hampshire. Mein Vater hat seine Bücher und seinen Rosengarten. Mama hat eine Schule für die Dorfkinder organisiert. Sie ist eine große Verfechterin guter Ausbildung.«
»Sagt mir, Mrs. Poole, sind sich Eure Eltern bewußt, daß Ihr Euch für solche Dinge interessiert, wie einen Mord zu untersuchen und nach gefährlichen Antiquitäten zu suchen?«
»Ich hatte bis jetzt noch keine Gelegenheit, ihnen von meinem augenblicklichen Projekt zu schreiben.« Beatrice schnitt die Leinenbinde zu. »Aber ich werde das machen, sobald ich die Angelegenheit geregelt habe.«
»Ich verstehe.« Er beobachtete mürrisch, wie sie die Enden
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