Im Sturm erobert
fensterlosen Raum. Den Kuriositätensuchern, die Eintritt für das Museum bezahlten, wurde zu diesem gruftartigen Raum kein Zutritt gewährt.
Hier war die Sammlung echter Kunstgegenstände des Museums untergebracht. Der neue Eigentümer sah sich mit einem Gefühl der Befriedigung um. Eine Aura von Altertum und Macht schien den Raum zu erfüllen.
Die meisten Gegenstände hier waren erst vor wenigen Monaten erworben worden. Sie stammten aus der Sammlung von Morgan Judd, einem Mann, der die wahre Natur und den Wert der Macht begriff.
Judd war bei einem mysteriösen Feuer, das sein Landhaus zerstört hatte, ums Leben gekommen. Nur wenige Menschen wußten, daß seine Sammlung von Antiquitäten die Feuersbrunst überstanden hatte, und noch wenigeren war bewußt, daß einige von ihnen hier in diesem Raum gelandet waren.
Das Kerzenlicht huschte über die Oberfläche eines seltsamen Gefäßes aus einem merkwürdigen Metall, das stumpf glänzte. Der frühere Besitzer hatte behauptet, der Kunstgegenstand hätte einmal einem Alchimisten gehört. Es gab keinen Grund, diese Behauptung anzuzweifeln.
Am Fuß der Treppe machte der Museumsbesitzer kehrt und ging an einer Vitrine vorbei, in der sich einige ledergebundene Folianten befanden, die Judd aus dem Raum der Verbotenen Bücher einer italienischen Klosterbibliothek gestohlen hatte. Die mittelalterlichen Mönche, die die Manuskripte von weit älteren Texten kopiert hatten, hatten Warnungen in die dicken Ledereinbände geritzt. Hütet Euch. Kein Mensch darf dieses Buch öffnen, ehe er sich nicht mit viel Fasten und Gebet gestärkt hat.
Der Eigentümer umrundete den Bücherschrank und ging einen Gang zwischen zwei Vitrinen hinunter. Hinter den geschlossenen Türen der Schränke befanden sich eine Reihe von Geräten, die einst von einem uralten Volk auf einer Südseeinsel für okkulte Zwecke benutzt worden waren.
Am Ende des Gangs blieb der Besitzer vor einem großen Kabinettschrank aus Holz stehen. Die Türen waren aufwendig mit einer Reihe von Symbolen und Nummern geschnitzt und mit einem kräftigen Schloß gesichert.
Der Eigentümer steckte einen alten Eisenschlüssel in das Schloß und öffnete die Tür. Die Flamme der Kerze flackerte über die Figur, die darin stand. Sie war aus einem geheimnisvollen, grünen Material gehämmert - nicht ganz Stein und noch kein Metall -, dem Hammer und Meißel nichts anhaben konnten. Für den Besitzer war dies der wichtigste Gegenstand der ganzen Sammlung.
»Trull hat nie dein großes Geheimnis gewußt, nicht wahr? Aber ich hab dich sofort erkannt.«
Die Aphrodite des Alchimisten war nicht groß. Wenn sie auf dem Boden stand, würde sie nur bis zur Taille eines Mannes reichen. Es war eine anmutige Nackte, die die Göttin in klassischer Pose aus dem Meer aufsteigend zeigte. Die Locken ihrer Haare waren ein Echo der Wogen zu ihren Füßen. Alchimistische Symbole waren in den Sockel eingraviert.
Der Museumsbesitzer streichelte den kalten grünen Busen.
»Es war nur ein kleiner Rückschlag, meine Liebe, eine kleine Fehlkalkulation. Aber ich schwöre, daß ich die Ringe schon sehr bald finden werde.«
Aphrodite starrte mit leeren Augen in den verdunkelten Raum.
»Am Ende wirst du deine Geheimnisse preisgeben.«
Das Kerzenlicht flackerte über das heitere, stumme Antlitz der Statue.
»Bald, meine kleine Göttin. Es wird keine Fehler mehr geben.«
Der düstere Laden in der Cunning Lane prahlte mit einem verblaßten Schild über dem Eingang, das verkündete, daß dieses Geschäft einem gewissen A. Sibson, Antiquitätenhändler, gehörte. In Wirklichkeit erinnerte der vordere Teil des modrigen, schäbigen Etablissements stark an eine Pfandleihe.
Die Klientel war ein recht gemischter Haufen. Sie bestand hauptsächlich aus Dieben, die versuchten, gestohlene Ware an den Hehler zu bringen, aus verarmten Ladies, die Familienerbstücke verkaufen wollten. Dazu gehörte auch gelegentlich ein Sammler, der die Gerüchte über Sibsons Hinterzimmer gehört hatte.
Die Glocke über der Tür tönte asthmatisch, als Leo eintrat. Es war niemand zu sehen. Leo schlängelte sich durch ein Labyrinth von staubigen Vitrinen, die mit angelaufenem Schmuck, antiken Münzen und angeschlagenen Vasen gefüllt waren. Am Tresen angelangt, blieb er stehen.
»Sibson?«
»Bin gleich bei Ihnen.« Die Stimme ertönte hinter einem zugezogenen Vorhang, der den hinteren Teil des Ladens abtrennte.
Leo lehnte sich achtlos an die Theke und sah sich in dem kleinen Laden um.
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