Im Sturm erobert
»Verfluchte Hölle.«
»Folgt uns jemand?«
»Vielleicht.« Leo blieb stehen und zog sie in eine dunkle Türnische. »Keinen Ton.«
Leo rüttelte an der Tür. Sie war von innen fest verriegelt, und das Schloß aufzubrechen, würde zuviel Lärm machen. Er konnte nichts tun, außer Beatrice so tief wie möglich in eine dunkle Ecke zu schieben. Er preßte sie gegen einen Stein und stellte sich vor sie, mit dem Gesicht zur Straße.
Er umklammerte seine Waffe mit der rechten Hand und wartete. Pistolen waren notorisch ungenau, selbst auf so kurze Distanz. Wenn er genötigt war zu schießen, mußte er sichergehen, daß er sein Ziel traf. Es würde keine Chance zum Nachladen geben.
Der seltsam glühende Nebel trieb durch die Cunning Lane, bildete einen übernatürlichen Fluß aus Dunst. Gestiefelte
Schritte hallten erneut, diesmal näher. Leo spürte, wie Beatrice erstarrte, aber sie gab keinen Ton von sich.
Der Nebel öffnete sich und enthüllte die Silhouette eines Mannes in Kutschermantel und Hut. Er war keine drei Schritte von der Tür entfernt, in der Beatrice und Leo warteten. »Wo, verflucht noch mal, sind die?« schimpfte der Kutscher. »Du bist derjenige, der sie verloren hat, du dämlicher Hund«, zischte der zweite Mann. »Wir werden nicht bezahlt, wenn wir sie nicht bis zum Morgengrauen abliefern.« »Woher sollte ich denn wissen, daß die zwei wie Füchse, die vor dem Wolfsrudel davonrennen, aus der Kutsche springen? Die feinen Pinkel bewegen sich sonst nicht so schnell.« »Die zwei schon. Und jetzt sind sie verschwunden.«
»Versteh nicht, was sie dazu gebracht hat, plötzlich abzuhauen«, sagte der Kutscher. »Hab gedacht, Seine Lordschaft wäre so beschäftigt damit, der Dame unter die Röcke zu fassen, daß er gar nicht merkt, daß wir nicht im richtigen Stadtteil sind.« »Aber jetzt sind sie weg, und wir müssen sie bald finden, sonst fehlt uns das Geld, das man uns versprochen hat.«
»Wir werden sie finden. Seine Lordschaft wird nicht weit kommen, wenn er die Lady hinter sich herschleifen muß. Inzwischen fällt sie wahrscheinlich in Ohnmacht und kriegt hysterische Anfälle.«
»Wie sollen wir sie in diesem verdammten Nebel finden?« »Ich kenn diese Gegend. Die meisten von diesen kleinen Gassen enden an einer Ziegelwand. Jeder, der sich hier nicht auskennt, läuft bald in die Falle.«
»Wir können doch nicht den Eingang zu jeder verdammten Gasse beobachten«, sagte der zweite Mann niedergeschlagen. »Ich hab hier ein paar Freunde«, sagte der Kutscher. »In so einer Nacht werden sie in der Blue Cat sein. Für ein bißchen Geld helfen die uns, Seine Lordschaft zu finden.«
Es herrschte kurz Stille, während die beiden Männer in den Nebel hineingingen. Und dann fing der zweite Mann erneut an zu sprechen.
»Jack?«»Ja.«
»Du glaubst doch nicht wirklich, daß es stimmt, was sie über diesen speziellen Herrn sagen, oder? Er kann sich doch nicht wirklich in einen Wolf verwandeln, oder?«
»Natürlich nicht. Versuch nicht, noch blöder zu sein, als du sowieso schon bist.«
Ein paar Minuten später ertönte lauter Lärm weiter die Straße hinunter und verriet Leo, daß die Männer die Tür der Taverne geöffnet hatten. Als das Geräusch wieder verstummte, zerrte er Beatrice aus dem Hauseingang. Er spürte ihren fragenden Blick, aber sie schwieg, während er sie durch den mondbeschienenen Nebel führte. Als sie unter dem Schild vorbeigingen, das über Sibsons Antiquitätenladen hing, blieb er stehen.
»Was jetzt?« flüsterte Beatrice in sein Ohr.
»Jetzt hoffen wir, daß auch wir einen Freund in diesem Teil der Stadt haben.«
»Ich dachte, Ihr hättet gesagt, wir könnten Mr. Sibson nicht trauen.«
»Ich habe jemand anderen im Sinn.«
Leo nahm Beatrice’ Hand fest in die seine und überquerte die schmale Straße. Eine Gestalt regte sich in den Schatten eines Hauseingangs. Der schwache Schein einer Laterne beleuchtete die Falten eines oft geflickten Mantels.
»Da ist jemand«, sagte Beatrice atemlos.
»Das hatte ich gehofft.« Leo ging weiter auf die Tür zu. »Clarinda? Bist du das?«
»Ja, wer sagt’s denn.« Clarinda trat aus den Schatten und hielt die Laterne hoch. »Schönen guten Abend, Euer Lordschaft. Wer ist die feine Dame?«
»Ihr Name ist Mrs. Poole. Zwei Räuber haben vor ein paar Minuten versucht, uns auszurauben. Sie suchen noch nach uns. Meine Freundin und ich brauchen einen Platz, wo wir bleiben können, bis sie die Suche in dieser Straße aufgeben. Ich werde dich
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