Im Sturm erobert
Platz, an dem deine Reisegefährtin Sally ihren gräßlichen französischen Akzent erworben hat?« »Sie heißt jetzt Jacqueline, nicht Sally«, erwiderte Beatrice. »Sie stammt aus einem abgelegenen Dorf in Frankreich, und ihr Akzent ist demnach nicht Pariserisch.«
»Ich verstehe.« Leo lächelte. »Ich hab deine Freundin Lucy vor ein paar Minuten kennengelernt. Sag mir, wie lange verwandelt ihr schon Prostituierte in französische Schneiderinnen und Zofen?«
»Etwa seit fünf Jahren. Vor einiger Zeit haben wir eine Lehrerin engagiert, die Sprachunterricht geben soll, aber sie hat eine Nachricht geschickt, daß sie krank ist und heute nicht unterrichten kann, also habe ich übernommen.«
»Wie bist du darauf gekommen, ein so ungewöhnliches Unternehmen anzufangen?«
Beatrice’ Blick streifte durch den niedrigen Raum, den Lucy und sie sich einst geteilt hatten. »Es ergab sich rein zufällig. Aber nachdem wir einmal angefangen hatten, konnten wir nicht mehr aufhören.«
»Bei manchen Dingen geht es so«, sagte Leo leise.
Sie wußte nicht, was sie von dem Ausdruck in seinen Augen halten sollte, und um sich von dieser Intensität abzulenken, machte sie eine Handbewegung, die das ganze winzige Zimmer einschloß. »Hier haben Lucy und ich in den ersten beiden Jahren unserer Witwenschaft gewohnt.«
Er musterte das Zimmer. »Gemütlich.«
Sie lachte. »Das ist sehr höflich ausgedrückt. Lucy und ich haben fast alles, was wir hatten, verpfändet, um diese Wohnung und den Laden unten zu kriegen. Ich hab hier oben meine ersten beiden Romane geschrieben, während Lucy mit ihrem französischen Akzent und hohen Preisen Kunden angelockt hat. Am Anfang hab ich ihr beim Nähen geholfen, obwohl ich, weiß Gott, nur wenig Talent dafür habe.«
»Lucy hat wieder geheiratet.«
Beatrice fragte sich, was diese Bemerkung provoziert hatte. »Ja, und ihr Ehemann weiß ihre geschäftlichen Fähigkeiten zu schätzen.« Sie zögerte. »Sie haben zwei Kinder.«
»Haben Sie?« Er sah ihr in die Augen. »Das ist ein Thema, über das wir noch nicht gesprochen haben.«
Sie räusperte sich. »Kinder?«
»Ja. Es gibt Verhütungsmöglichkeiten, die man ergreifen kann.«
Erinnerung an ihr ungezügeltes Liebesspiel schossen ihr durch den Kopf. »Das habe ich auch schon gehört.« Ihre Stimme klang hoch, selbst in ihren eigenen Ohren. »Aber ich glaube nicht, daß wir uns deshalb allzuviel Sorgen machen
müssen.«
Er ließ sie nicht aus den Augen. »Warum sagst du das?«
Sie wandte sich ab und ging zu dem Tisch, auf dem eine halbleere Teekanne stand.
»Ich hab dir gesagt, daß das einzige, das mein Mann von mir wollte, ein Sohn war, und ich konnte ihm keinen liefern.« Die Teekanne zitterte in ihrer Hand, als sie sie hochnahm. »Er wußte es nicht, aber ich sehnte mich noch mehr nach einem Kind als er.« Jemanden, dem sie all die Liebe schenken konnte, die Justin nicht wollte. »Es hat nicht sollen sein.« »Ist seine Mätresse je schwanger geworden?«
Sie drehte sich so hastig um, daß der Tee über den Tassenrand schwappte. »Aber nein, nicht, daß ich wüßte. Warum fragst du?«
Leo zog eine Augenbraue hoch. »Neben anderen Wissenschaften haben sich die Männer meiner Familie seit Jahren besonders mit Tierzucht befaßt. Ich habe gelegentlich starke junge Bullen gehabt, die es nie schafften, meine Kühe zu decken. Aber wenn ich dieselben Kühe mit anderen Bullen zusammenbrachte, wurden sie sofort trächtig.«
»Ich verstehe.« Ihr Gesicht glühte so, daß sie sicher puterrot war. »Justin war nicht direkt ein, äh, Bulle, Mylord, aber er war ziemlich, äh, gesund. Ich bin sicher, daß das Problem bei mir lag. Wirklich, ich finde, wir brauchen das nicht weiter zu diskutieren. Bitte.«
Denn wenn sie weiterhin an die unmögliche Vorstellung dachte, Leos Baby in ihren Armen zu halten, würde sie sicher das tun, was sie ihren Heldinnen erlaubte: in Tränen ausbrechen. Er sah aus, als wolle er sich nicht damit zufriedengeben, aber er wechselte das Thema. »Wie du wünscht.«
Sie trank einen kräftigen Schluck Tee, um sich zu stärken. Dann stellte sie die Tasse auf den Teller. »Ihr habt mir noch nicht gesagt, warum Ihr mich heute nachmittag hier aufgesucht habt, Sir.«
»Laß endlich dieses alberne Sir, wenn wir allein sind. Ich wollte dir einen Bericht über meine Nachforschungen heute morgen geben. Ich bin noch mal zu Trulls gegangen. Es wird dich interessieren, daß der Türmann verschwunden und das Etablissement für die
Weitere Kostenlose Bücher