Im Sturm: Thriller (German Edition)
zahlenmäßig stärksten Verbände der Welt. Für einen Angriff auf Westdeutschland war vorwiegend er verantwortlich.
Alexejew hob die Hand. »Der Gegner aber auch nicht. Er ist sogar noch unvorbereiteter. Berücksichtigen wir unsere Geheimdienstmeldungen. Vierzehn Prozent ihrer Offiziere sind im Urlaub. Gut, es ist das Ende einer Übungsperiode, aber gerade aus diesem Grund wird ein Großteil ihres Geräts nun gewartet, und man kann davon ausgehen, daß ihre Befehlshaber zu Besprechungen in die jeweiligen Hauptstädte gefahren sind – so wie wir. Ihre Truppen sind im Winterquartier und tun Winterdienst. Dies ist die Jahreszeit für Wartung und Papierkrieg. Das Sportprogramm ist eingeschränkt – wer will schon im Schnee herumrennen? Die Männer frieren und trinken mehr als gewöhnlich. Jetzt ist unsere Chance! Die Geschichte lehrt, daß der sowjetische Soldat im Winter die besten Leistungen bringt. Und die Abwehrbereitschaft der Nato ist auf dem Tiefstand.«
»Und unsere auch, Sie Grünschnabel!« fauchte der OB West.
»Das läßt sich in achtundvierzig Stunden ändern«, konterte Alexejew.
»Ausgeschlossen«, unterstützte der Stellvertreter des OB West seinen Chef.
»Maximale Bereitschaft wird sich erst in einigen Monaten erreichen lassen«, stimmte Alexejew zu. Er wußte, daß sein Standpunkt bei seinen Vorgesetzten nur mit Sachlichkeit anzubringen war. Seine Erfolgsaussichten waren zwar gering, aber er wollte es wenigstens versuchen. »Aber es wird schwer, wenn nicht unmöglich sein, die notwendigen Maßnahmen zu kaschieren.«
»Wie Marschall Roschkow sagte, ist uns politische und diplomatische maskirowka versprochen worden«, sagte ein General.
»Daß das KGB und unsere geschickte politische Führung Wunder bewirken, bezweifle ich nicht.« Vielleicht war der Raum ja doch verwanzt. »Aber ist es nicht zuviel verlangt, von den Imperialisten, die uns fürchten und hassen und durch ihre Agenten und Spionagesatelliten belauern, zu erwarten, daß sie eine Steigerung unserer Übungsaktivitäten um hundert Prozent einfach übersehen? Wir wissen, daß sich ihre Alarmbereitschaft erhöht, wenn unsere Einheiten Feldübungen abhalten, und wegen der Frühjahrsübungen wird ihre Abwehrbereitschaft ohnehin höher sein. Ein Abweichen von unserem normalen Übungsprogramm würde sie warnen. Ostdeutschland wimmelt nur so von westlichen Spionen. Die Nato wird Verdacht schöpfen und reagieren, sich uns mit allem, was sie in ihren Arsenalen hat, an der Grenze entgegenstellen. Greifen wir aber andererseits mit dem an, was uns zu Verfügung steht, und zwar jetzt, sind wir im Vorteil. Unsere Männer sind nämlich nicht im Skiurlaub. Schukow-4 sieht den Übergang vom Friedens- zum Kriegszustand innerhalb von achtundvierzig Stunden vor. So schnell kann die Nato unmöglich reagieren. Bis ihre Offiziere die Geheimdienstmeldungen verarbeitet und ihren Ministern vorgelegt haben, rollen unsere Panzer schon in der Bundesrepublik durchs Kinzigtal.«
»Zuviel kann schiefgehen!« Der OB West erhob sich so rasch, daß ihm das Handtuch von den Hüften zu rutschen drohte. Er hielt es mit einer Hand fest und ballte die andere. »Die Verkehrsregelung muß ausgearbeitet werden. Unsere Männer müssen an den neuen Waffensystemen üben. Unsere Heeresflieger müssen auf den Fronteinsatz gegen die Imperialisten vorbereitet werden. Bitte sehr, da haben Sie ein unüberwindliches Problem. Die Piloten müssen mindestens einen Monat lang intensiv üben. Und meine Panzerbesatzungen, Geschützbedienungen und Infanteristen auch.«
Wenn du eine Ahnung von deiner Arbeit hättest, wärst du jetzt bereit, du nichtsnutziger Hurenbock! dachte Alexejew. Der OB West war ein Mann von einundsechzig, der unter Vernachlässigung seiner Dienstpflichten gerne seine Potenz unter Beweis stellte. Aber der Mann galt als politisch zuverlässig. So geht das also in unserem System, sagte sich der jüngere General. Zur Verteidigung des Vaterlandes brauchen wir Kämpfer, und was kriegen wir? Politisch zuverlässige Bürohengste. Alexejew spielte seine letzte Karte aus:
»Genosse General, Ihre Divisions-, Regiments- und Bataillonskommandeure sind tüchtige Männer. Vertrauen Sie ihnen.« Es konnte nicht schaden, das Banner der Roten Armee zu schwenken, fand Alexejew.
Roschkow erhob sich. »Was Sie sagen, Pawel Leonidowitsch, hat Hand und Fuß, aber dürfen wir ein Vabanquespiel um die Sicherheit des Landes wagen?« Er schüttelte den Kopf und zitierte wie schon oft die
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