Im Sturm: Thriller (German Edition)
eine Sache; einen Papierkrieger in einen Feldoffizier zu verwandeln, eine andere.« Roschkow umging den Kern des Problems, aber sein Vorgesetzter verstand genau, was gemeint war.
»Sie haben in beiden Fällen freie Hand, Juri. Aber gehen Sie in unser beider Interesse behutsam vor.«
Roschkow nickte knapp. Er wußte schon, wem er die Aufgabe übertragen würde. »Mit den Truppen, die wir vor vierzig Jahren anführten, Andrej, könnten wir das schaffen.« Roschkow setzte sich. »Und im Grunde haben wir das gleiche Material wie damals – und dazu bessere Waffen. Der größte Unsicherheitsfaktor sind die Männer. Als wir mit unseren Panzern in Wien einfuhren, waren unsere Leute harte, zähe Kerle mit Fronterfahrung –«
»Vergessen Sie nicht, daß sich auch der Westen mit diesem Problem herumzuschlagen hat. Wie will er kämpfen, wenn er uneins ist und überrascht wird? Juri, der Plan kann funktionieren. Er muß einfach klappen.«
»Am Montag spreche ich mit meinen Kommandeuren.«
Norfolk, Virginia
»Passen Sie nur gut darauf auf.«
Commander Daniel X. McCafferty reagierte nicht sofort. USS Chicago war erst vor sechs Wochen in Dienst gestellt worden, mit Verspätung wegen eines Feuers auf der Werft. Sie hatten gerade eine harte fünfwöchige Testfahrt im Atlantik hinter sich und nahmen nun Proviant für ihre erste Dienstfahrt an Bord. McCafferty war noch immer von seinem neuen Boot entzückt und konnte sich nicht an ihm sattsehen. Er war gerade mit dem Oberbürgermeister von Chicago über das gewölbte Oberdeck gegangen, der Beginn jeder Führung durch ein U-Boot, obwohl es hier so gut wie nichts zu sehen gab. »Wie bitte?«
»Passen Sie gut auf Ihr Schiff auf«, sagte der OB von Chicago.
»Wir nennen es ein Boot, Sir, und versprechen, angesichts der Patenstadt gut auf es aufzupassen. Darf ich Sie in die Messe bitten?«
»Noch mehr Leitern?« Der OB zog eine Grimasse. »Und wohin geht morgen die Fahrt?«
»Aufs Meer, Sir.« McCafferty trat auf die oberste Sprosse der Leiter. Der OB von Chicago folgte ihm.
»Das hätte ich mir auch gedacht.« Für einen Mann Ende fünfzig kletterte er recht gelenkig. »Was treiben Sie eigentlich auf diesen Booten?«
»›Ozeanographische Forschung‹ heißt es bei der Marine.« McCafferty drehte sich um und entschuldigte sich mit einem Lächeln für die Antwort auf die peinliche Frage. Auf der Chicago entwickelten sich die Dinge rasch. Die Navy wollte sehen, wie wirksam die neuen Schalldämpfsysteme waren. In dem Akustik-Erprobungsgebiet vor den Bahamas waren alle Ergebnisse positiv ausgefallen. Nun wollte man sehen, wie gut das Boot in der Barentssee funktionierte.
Darüber mußte der OB lachen. »Na, dann zählen Sie bestimmt im Auftrag von Greenpeace Wale.«
»Wo wir hinfahren, gibt es welche, das kann ich Ihnen verraten.«
»Was haben Sie da für Kacheln an Deck? Ich wußte gar nicht, daß es Schiffe mit Gummideck gibt.«
»Das sind echofreie Kacheln, Sir. Das Gummi schluckt Schallwellen. Dadurch wird das Boot leiser und ist mit Sonar schwerer zu orten. Kaffee?«
»Man sollte doch meinen, daß es an einem Tag wie heute –«
Der Captain lachte in sich hinein. »Finde ich auch. Aber an Bord herrscht strenges Alkoholverbot.«
Der OB hob seinen Becher und stieß mit McCafferty an. »Glückliche Fahrt.«
Moskau
Sie versammelten sich in der Offiziersmesse des Militärbezirks Moskau in der Uliza Krasnokasarmennaja, einem gewaltigen, beeindruckenden Bau aus der Zarenzeit. Die Oberbefehlshaber trafen sich regelmäßig um diese Zeit in Moskau und begingen den Anlaß mit üppigen Festessen. Roschkow begrüßte seine Kameraden am Haupteingang, und als alle versammelt waren, führte er sie in den Keller zu den prunkvollen Dampfbädern. Anwesend waren alle Oberbefehlshaber der Heeresgruppen und ihre Stellvertreter, dazu die Befehlshaber der Luftwaffe und der Flotten: eine kleine Galaxis aus Sternen, Ordensbändern und Goldtressen. Zehn Minuten später waren sie nackt, hatten nur ein Handtuch und ein Bündel Birkenzweige in der Hand und sahen aus wie ganz normale Männer in mittleren Jahren, vielleicht etwas besser in Form als der Durchschnitt in der Sowjetunion.
Alle kannten sich. Manche waren zwar Rivalen, aber doch Berufskollegen und verbrachten die ersten Minuten in der für ein russisches Dampfbad typischen intimen Atmosphäre mit oberflächlicher Konversation über Kinder und Enkel. Schließlich kam die klassische Diskussion über die »Dicke« des Dampfes auf.
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