Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
Vom Netzwerk:
waren.
    Gemischt und gegeben wurden die Karten im Vorderzimmer von Tips Junggesellenreich, einer Behausung aus groben Planken, die am Fluss auf Stelzen stand; sie war mit fleckigen Läufern ausgelegt und verfügte über einen Steg, der auf Ölfässern im Wasser trieb. Der Sommer war lange vorüber, aber ein Nachzüglertag hatte sich in den frühen Herbst verirrt und Hitze in die Sonnenstunden gebracht. Sogar noch so spät am Abend hauchte er eine laue Sommerbrise durch die Fliegengitter.
    »Criminentlies«, sagte John X, als er passte. »So viel zu mehr als einer Chance.« Er lehnte sich vom Tisch zurück und reckte die Arme. »Jemand ein Bier?«
    Spit, rot im Gesicht und mitten in einer Glückssträhne, hob seine Flasche und hielt sie dem Gastgeber entgegen.
    »Ich wär soweit«, verkündete er. »An ’nem Abend wie diesem ist so ’n kühles Blondes schnell weggezischt.«
    John X nahm die Flasche und hielt sie seitlich von sich. Er sah hinüber zur Fliegengittertür, wo Etta auf einem Vorleger kniete und Solitär spielte. Die Zugluft plusterte ihre Haare auf, und sie hatte die grünen Lippen in höchster Konzentration gespitzt, während sie die alte Lady Patience, die ewige Nemesis des einsamen Falschspielers, nach Strich und Faden betrog. Lady Pat hatte nicht die geringste Chance, und als die Göre ihr höhnisches Siegeslächeln aufsetzte, sahen ihre Lippen aus wie ein zerknüllter Dollarschein.
    »Engel«, sagte er zu ihr. Als sie aufblickte, wedelte er mit der Flasche. »Eine für Spit.«
    Etta sprang auf und trug die leere Flasche in die Küche.
    Die Küche in Tips Junggesellenreich war streng quadratisch und besaß die museale Atmosphäre eines Ausstellungsstücks. Alle Gegenstände glänzten vor Sauberkeit, weil sie so gut wie nie benutzt wurden. Auf den Regalen herrschte strengste Ordnung, die Lebensmittelkonserven standen in Reih und Glied, angefangen bei reinem Dosengemüse, auf das, hierarchisch nach Qualitätsmerkmalen sortiert, Gemüsesuppen und Suppen auf Gemüsebasis mit etwas Fleisch folgten sowie schließlich Fleischsuppen mit etwas Gemüse bis hinauf zur Krönung der Konservenparade: das gute alte Dosenfleisch. Auf einer Anrichte neben dem antiken Herd ragte ein sauber gestapelter Turm Papierteller in die Höhe, darüber thronten auf der Fensterbank, wie blühende Topfblumen, die Schweinefleischduft verströmten, rot etikettierte Dosen, die von erkaltetem Bratenfett überquollen. Der Kühlschrank war blendend weiß, riesig und gewiss von einigem historischen Interesse, aber auch außer Betrieb, und deshalb befand sich das Bier in einem grauen Waschzuber auf dem Fußboden, von großen Eisblöcken klassisch gekühlt.
    Etta ließ eine Hand in die Eiswanne sinken und fischte ein Bier heraus. Sie wischte die Flasche mit einem Handtuch trocken und drehte die Verschlusskappe ab. Als sie die Flasche neben Spit abstellte, benutzte sie einen neuen pekuniären Fachausdruck, den sie gelernt hatte: »Macht dann acht Bits.«
    Spit hielt die Dollarnote in die Höhe, und sie schnappte sie ihm aus den Fingern. Dann ging sie wieder zu ihren Karten.
    »Das wären drei Bucks für dich, Johnny«, sagte Mike Rondeau. »Also scheiß endlich, oder runter vom Klo.«
    »Schätze, ich scheiße«, erwiderte John X und warf drei Scheine auf den Tisch.
    Die Spieler steckten John X als Veranstalter der Pokerrunde pro Mann und Stunde zwei Dollar zu, und obendrein betrieb er noch den Ausschank. Etta hatte Sandwiches nach der Art zubereitet, wie Dankwart aus den Blondie-Comics sie aß, und brachte sie für zwei Scheine das Stück an den Mann; zusammen mit dem Bierverkauf war so eine nette Summe zusammengekommen. Bis jetzt war John X pokermäßig zwanzig Mäuse in den Miesen, aber insgesamt mit fünfzehn oder so obenauf.
    Bei diesem Spiel hatte John X bis zum Ende mit zwei Paaren mitgehalten, Dreien und Achten, aber schließlich gegen die drei Fünfen verloren, die Spit in der Hinterhand hatte.
    »Oh, Mann«, sagte John X stöhnend. »Mein Hochmut bringt mich doch immer wieder zu Fall.«
    »Früher hat dich aber ’ne ganz andere Sünde zu Fall gebracht«, warf der fette Mike ein, und sein Glatzkopf wackelte dazu.
    »Genau«, sagte John X und steckte sich dabei eine Chesterfield an. »Aber die war auf dem Register so weit unten, dass ich nicht mal geschnallt hab, dass sie überhaupt draufstand.«
    Die absehbare Zukunft bestand also darin, eine wöchentliche Pokerrunde für eine Bande kauziger alter Hunde auszurichten, die das

Weitere Kostenlose Bücher