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Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition)

Titel: Im Süden: Die Bayou-Trilogie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Woodrell
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wollte Spit wissen.
    »Also bitte, Stew«, sagte Mike, als bei Stew die Tränen zu fließen anfingen, »würdest du bitte damit aufhören?« Den anderen Spielern zugewandt, zuckte er entschuldigend die Achseln. Er hob die Hände. »Della ist erst letzten Winter gestorben. Ist bei ihm noch ’ne offene Wunde.«
    »Lassen wir ihn aussetzen«, schlug Spit vor. »Dein Bube ist hoch, Nash.«
    Horace Nash, Stews Nachbar, ebenfalls verwitwet und hager und griesgrämig, betrachtete die Tränen und sagte: »Passe.«
    An der Stelle, wo die Band im Chor »Pennsylvania six, five, oh-oh-oh« singt, trompetete Stew Lassein ein gedämpftes Seufzersolo.
    Der fette Mike schnitt eine Grimasse. Er ließ den Kopfhängen und sagte: »Johnny, du erinnerst dich doch an meine kleine Schwester Della, oder?«
    John X beobachtete, wie Stew die Tränen übers Gesicht liefen. Er konnte den Blick nicht von ihnen wenden. Sie bewässerten die trockene alte Haut von Lasseins Wangen, und das Weinen und Schluchzen machten den alten Mann auf seltsame Weise jeweils für Sekunden um Jahre jünger. So wie die Tränen auf seinen geröteten Wangen glitzerten und sein Körper von den Schluchzern geschüttelt wurde, wirkte Stew Lassein, als habe ihn die glückliche Fähigkeit zu trauern zum Leben erweckt.
    »Klar tu ich das«, sagte John X. »Die und Monique waren damals doch ganz dicke.« Sein Blick wich nicht von Stews Gesicht, als er das sagte. »Ich kenne Della noch als diese kleine, dunkle Lady, die irgendwie aussah, als hätte man sie aus der Fremde importiert. Hatte ’ne elegante Art drauf, ’ne Sweet Caporal zu paffen. Und hat immer so sexy Hüte mit Federn aufgehabt. Mm-hmm, ich kann mich erinnern.«
    »Jetzt reicht’s!«, rief Stew. Seine Lippen zitterten, und er zeigte mit dem Finger auf seinen Gastgeber. »Genug! Kein Wort mehr von deinen Erinnerungen an meine Frau!«
    Spit schlug mit der Hand auf den Tisch.
    »Hört mal«, sagte er. »Ich hab elf Scheine da im Pott, und wenn ihr weiter geifern wollt und nicht spielt , dann erklär ich mich zum Gewinner und streich alles ein. Ich mein’s ernst – ich bin nämlich zum Spielen hier.«
    Stew stieß sich mit seinem Stuhl vom Tisch ab. Er wischte sich mit einer Papierserviette über die Augen und schneuzte dann hinein.
    »Ich weiß noch, dass sie gern tanzen ging«, sagte John X, »und beim Schwof tauchte sie immer mit Stew hier auf.«
    Das Radio war zu einem neuen Musikstück übergegangen, irgendeinem hanebüchen-haspelnden Rhythmus aus Übersee, wahrscheinlich Kuba. Die Bläsergruppe war in heller Aufregung, und die Perkussionisten trommelten auf zum tropischen Kriegstanz.
    »Da«, sagte Horace Nash tröstend zu Stew, »ein neuer Song.«
    »Ich hab’s ihm gesagt«, erregte sich Stew und wiederholte die Fingerzeigerei. »Er soll nicht noch ein einziges Wort über sie verlieren.«
    »Bitte«, sagte Mike und schüttelte den Kopf.
    »Ich hab gewonnen«, verkündete Spit. »Die Zeit ist um.«
    Er wollte den Pott einstreichen, aber John X packte seine Hand.
    »He, he, ich hab auch sieben Bucks da drin.« Er faltete die Hände auf dem Tisch und setzte sich in Positur. »Gut denn, Stew – weshalb bist du denn so sauer auf mich?«
    »Nun sieh sich einer den mal an«, sagte Stew. Er schmiss die feuchte Serviette auf den Tisch. »Würdet ihr ihn euch ansehen? Ganz das blauäugige Unschuldslamm.« Stew stand auf und wedelte ärgerlich mit der Hand in Richtung John X. »Ich halt’s in deiner Nähe nicht aus. Ich dachte, es würde gehen. Ich dachte echt, es würde gehen, aber ich halt’s einfach nicht aus.«
    »Was für ’n Problem hast du denn bloß mit mir?«
    »Ich will dir was sagen! Mister Schlangenhüftschwung! Du hast dich immer angezogen, als wärst du was ganz, ganz Spezielles, hast allen Mädels in der Stadt Lügen aufgetischt, hast ewig den Schönling markiert! Hast mit dem Geld um dich geworfen, als bräuchtest du nicht zu arbeiten dafür – was du ja auch nicht getan hast!«
    John X steckte sich eine Chesterfield an und machte es sich auf seinem Stuhl bequem. Seine Hände hingen locker herunter, und er sagte: »Ich finde nicht, dass ich mich dafür entschuldigen muss, ein Traummann zu sein.«
    Diese Aussage traf den Kern, und Stew fing gleich wieder zu weinen an. Seine Schultern bebten, und er versuchte, eine Antwort zu stammeln, kam aber nicht über »Ich, ich, ich …« hinaus.
    Horace Nash stand neben Stew auf.
    »Ich wünschte, ich würde meine Luann so vermissen wie du Della«, sagte

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