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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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verrecken! Alle! Ihr sturen Hunde – macht das Tor auf!«
    Auf der Veranda erschien Paddy. Porelle duckte sich hinter einen Karren und warf sich platt auf die Erde. Die Capatazos starrten zu ihrem Patron hinauf. Paddys Gesicht sah fürchterlich aus, eine verzerrte Maske … das war nicht mehr Jack Paddy – das war nur noch ein Mann, der Angst hatte, Angst.
    Er war, kaum daß Porelle aus dem Haus gestürzt war, zurück in sein Schlafzimmer gelaufen. Dort lag Rosalie, das schönste Indiomädchen von Santa Magdalena, in einer Lache aus Kot. Sie hatte die Besinnung bereits verloren, aber ihre Bauchdecke zuckte noch, und ihre braune, vor Stunden noch so glatte Haut war grau geworden, wie rissiges, ausgelaugtes Leder.
    Mit einem Aufschrei warf Paddy sich herum und flüchtete in seine Wohnhalle. Dort hörte er gerade noch Porelles letzte Worte. Ihm wurde übel, er stützte sich auf seine gläserne Bar, die Angst zerbrach alle Kraft in diesem massigen Körper, und als er versuchte, weiterzugehen, begann er zu zittern, als läge er auf einem Eisblock.
    Sie haben es erreicht, dachte er, seltsam klar in seiner Panik. Es war ein gemeiner Trick, mir Rosalie ins Bett zu legen! Sie haben es gewußt, sie haben sie zurecht gemacht, und sie hat durchgehalten mit der Zähigkeit des Hasses, mit diesem verseuchten Körper – und ich habe geglaubt, daß sie es nicht nur für ein Faß Wasser tut, sondern wirklich Spaß an der Sache findet …
    Auf der Straße tauchte jetzt der Zug auf, die Finger der Scheinwerfer ergriffen ihn und tauchten ihn in blendende Helle: An der Spitze Dr. Högli, Evita, Juan-Christo und Matri. Dahinter Pater Felix, über Soutane und Maschinengewehr die goldbestickte Stola gelegt. Jetzt trug er das große Kreuz mit dem bunt bemalten Christus; in einem ledernen, um den Leib geschnallten Köcher stak der Längsbalken, von hinten mit Stangen abgestützt. Bei jedem Schritt schwankte das Kreuz, es verlangte enorme Kraft es festzuhalten und dennoch weiterzugehen. Und dann folgten eng gedrängt die Leute von Santa Magdalena, mit Eimern und Töpfen, ausgehöhlten Kürbissen und tönernen Schüsseln. Männer, Frauen und Kinder, Greise und Krüppel, alles was laufen konnte, zog die Straße hinauf und sang. Jetzt war es keine indianische Totenklage mehr, jetzt sangen sie die Lieder der christlichen Kirche: Lieder vom gnädigen Gott und der Liebe der Menschen zueinander, von Gnade und Erbarmen. Wasser … Wasser …
    Dort ist das Wasser, Amigos! Ein riesiges Schwimmbecken voll! Und seht ihr den Wasserturm hinter Paddys Haus? Er ist gefüllt bis zum Rand! Und im Pumpenhaus gibt es einen Schalter, einen kleinen Schalter, den braucht man nur herumzudrehen. Wißt ihr, was dann passiert? Dann rasseln die Pumpen los, dann fließt Wasser durch die Leitungen, dann strömt das Leben aus der Tiefe der Erde. Kühles Leben! Nur eine Drehung an einem Schalter, Amigos! So wenig oder so viel ist unser Leben wert.
    Erbarme Dich all unserer Not, beschütze uns mit Deiner Güte, Du bist der große, mächt'ge Gott, Du bist der Vater, bist die Liebe …
    Wasser … Wasser …
    Die Scheinwerfer hatten jetzt alle erfaßt, auf den Wachttürmen knieten die Capatazos hinter den Maschinengewehren. Jetzt sah man auch die Wagen mit den Fässern. Die kräftigeren Männer hingen in den Seilen und Deichseln und zogen sie hinauf, in die Speichen der Räder griffen die Frauen.
    Pater Felix, bei jedem Schritt fast erdrückt von der Last des Kreuzes, nickte hinüber zu dem geschlossenen Tor, als sich Dr. Högli umdrehte.
    »Weiter!« keuchte der Pater.
    »Sie werden schießen, Felix.«
    »Sie werden nie auf Christus schießen, Riccardo!«
    »Jetzt begreife ich, was glauben heißt.« Dr. Högli faßte Evita um die Taille. So umschlungen gingen sie weiter, durch das blendende Scheinwerferlicht. Es war unmöglich, noch zu erkennen, was vor ihnen war, sie schritten in eine gleißende Wand hinein, hinter der – das ahnten sie – unzählige Gewehrläufe auf sie gerichtet waren. Und nun stimmten die Leute von Santa Magdalena ein neues Lied an:
    Mit unsrer Kraft ist nichts getan, wenn Du, o Herr, nicht bei uns bist …
    Das Tor! Dicke Balken, mit Eisen beschlagen. Davor die verstümmelten, von den Geiern zerrissenen Leichen. Aber jetzt war es nicht mehr der Gesang allein, der die Nacht beherrschte. Vierhundert Elendsgestalten begannen mit ihren Eimern und Schüsseln, Töpfen und Schalen zu klappern, schlugen sie aneinander, klopften den Takt.
    Wasser … Wasser

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