Im Tal der bittersüßen Träume
»Trotz der Indiomauer?«
»Wollen die Indios weiterleben oder wollen sie sterben?«
»Stellen Sie nicht so dämliche Fragen, Rick!«
»Es wird für sie eine Kardinalfrage werden. Ich überlege lediglich, ob ich beim Hospital oder bei der Kirche anfange.« Haverston grinste Paddy an, sein verhungertes Gesicht wurde dadurch noch häßlicher. »Ich habe zehn Handgranaten mitgebracht.«
»Was haben Sie?«
»Und einen aufsteckbaren Zusatz zum Gewehr, der es mir ermöglicht, Gewehrgranaten abzuschießen. Waren Sie in der Army, Jack? Dann kennen Sie doch die Dinger.« Haverston blickte wieder hinüber zur Kirche. Die ersten Feuer loderten auf, der Abend senkte sich schnell ins Tal. »Was glauben Sie, wie die Indios tanzen, wenn ich drei von diesen Eiern in ihrer Mitte explodieren lasse? Vor den restlichen Indios werden Sie eine Ansprache halten und ihnen erklären, daß sie weiterleben können, wenn sie Kirche und Hospital räumen! Das ist ein gutes Angebot.«
»Und Sie glauben, die Indios ziehen sich sofort zurück?«
»Sicherlich.« Haverston riß ein Streichholz an und entzündete eine Zigarette. Er rauchte mit großem Genuß und lehnte sich zurück in den harten Kunststoffsitz. »Die vierte Gewehrgranate wird in Santa Magdalena zwischen den Frauen und Kindern explodieren …«
»Rick! Das tun Sie nicht!« brüllte Paddy.
»Wer will mich daran hindern? Sie, Jack? Kommen Sie bloß nicht auf den Gedanken, mir aufzulauern.« Er klopfte gegen seine Brust. Unter dem bis zum Hals geschlossenen Hemd klang es seltsam hart, fast metallen. Paddy schnaufte.
»Eine schußsichere Weste, ich hör's.«
»Das Beste auf dem amerikanischen Markt. Hält die dickste Coltkugel auf.«
»Trotzdem werden Sie Ihre verdammte Gewehrgranate nicht auf Frauen und Kinder losfeuern!« schrie Paddy.
Haverston ließ den Motor wieder an und fuhr weiter. Er bog von der ›Hauptstraße‹ ab, ratterte über einen Nebenweg und erreichte wieder die befestigte Straße, die zur Hacienda führte. »Sie sind eine komische Nudel, Paddy«, sagte er. »Es macht Ihnen gar nichts aus, Frauen und Kinder und die in der Weltöffentlichkeit so beliebten Greise und alten Mütterchen qualvoll verdursten zu lassen, aber wenn ich für eine schnellere Lösung der Probleme plädiere, kriegen Sie humane Anwandlungen. Verdursten ist schlimmer, als unter einer Granate zu sterben! Überhaupt – was soll diese Diskussion! Ich bin nicht gekommen, um zu reden, sondern um zu handeln. Es ist schon jammervoll genug, daß zwei solche Idioten wie der Arzt und der Pfarrer einen Betrieb wie den Ihren lahmlegen können!«
»Schnauze! Nichts als Schnauze!« Paddy hieb mit den Fäusten gegen die Autotür. »Bekommen Sie mal die Indios auf die Felder ohne Wasser!«
»Dann geben Sie ihnen doch Wasser.«
Paddy starrte Haverston an, als habe der ihm einen unsittlichen Antrag gemacht. »Rick, dann kriegen wir den Doktor und den Pfaffen nie los!«
»Sie nicht. Deshalb bin ich ja hier.«
»Mit der ersten Lieferung würden auch Berichte nach Chihuahua hinausgeschmuggelt werden!«
»Bei Ihnen – nicht bei uns!«
»Was soll das heißen?« fragte Paddy. Es war eine dumme Frage. Er verstand Rick genau, aber er wehrte sich gegen diese ungeheuerliche Wahrheit.
»Die Organisation wird Ihren Betrieb umorganisieren. Das Management klappt nicht so richtig. Wir haben da bestimmte Vorstellungen, wie es besser geht.«
»Ihr … ihr wollt mich kaltstellen?« sagte Paddy gepreßt. »Ihr wollt mir den Betrieb wegnehmen? Ihr wollt meine Farm kassieren?«
Haverston schwieg. Was sollte man darauf antworten? Auch für diesen ›zweiten Schritt‹ hatte er genaue Anweisungen; Paddy jetzt damit vertraut zu machen, würde alles nur noch mehr komplizieren. Heute brauchte man Paddy noch; er war die Brücke zu den Indios. Bis man eine neue Brücke gebaut hatte …
Es ist das Schicksal alter Brücken, eines Tages abgerissen zu werden.
Paddy dachte an Pierre Porelles Worte. »Liefern Sie, liefern Sie sofort, da drüben sitzen Männer, die für nichts anderes Interesse haben als für Dollars. Sie haben ihre Freunde im Kongreß, sie finanzieren die Wahlkämpfe der Senatoren, sie duzen die Polizeipräsidenten und gehen mit den Richtern fischen. Jack Paddy, was sind Sie für diese Männer? Ein kleiner Haciendero in einem Drecknest in den Bergen. Ihre Millionen, Paddy, sind für diese Herren eine magere Wocheneinnahme. Mein Gott, Paddy, liefern Sie! Nur ein sattes Raubtier schläft!«
»Ich fange mit dem
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