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Im Tal der bittersüßen Träume

Im Tal der bittersüßen Träume

Titel: Im Tal der bittersüßen Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Högli blickte wieder auf den schwachen Lichtschein hinter Evitas Fenster. »Kann man dem Kerl vor meiner Tür nicht sagen, daß er in Kürze vielleicht eine Spritze bekomme könnte?«
    »Man kann es versuchen, Chef.« Juan-Christo lächelte breit. »Soll ich?«
    »Nur als Test, Juan, du Saukerl!«
    »Selbstverständlich nur als Test, Doktor.« Juan-Christo drehte sich herum und lief ins Hospital zurück. Kurz darauf winkte er aus einem dunklen Fenster zu Dr. Högli hinüber. Der zögerte, aber dann zog er den Kopf zwischen die Schultern und ging mit schnellen Schritten durch den Eingang der Ambulanz ins Haus.
    Ein paar Minuten später erlosch der milde Kerzenschein in Evitas Zimmer.
    Auch Profis wie Rick Haverston können sich irren.
    Für ihn, den eiskalten Liquidator, der einen Menschen nur danach abschätzte, auf welche Art er am rationellsten zu töten war, hatte sich Jack Paddy als ein harmloser, dicker, ewig polternder, großmäuliger, aber im Grunde feiger Bursche klassifiziert. Für die ›Organisation‹ war er völlig uninteressant geworden. Wichtig allein waren nur sein Peyotl-Kulturen und die Hanffelder. Haverston hatte sie, gut geschützt in dem schweren Geländewagen und angetan mit seiner Panzerweste, besichtigt. Mit ihm ritten zehn Capatazos, zwar unlustig und Rick gegenüber mit deutlicher Feindseligkeit, aber es blieb ihnen nichts anderes übrig, denn der Patron hatte es befohlen.
    Ein kleines Problem stellte dabei die Ausfahrt aus der Hacienda dar. Die toten Indios lagen noch immer vor dem Tor in einem Halbkreis, die Sonne trocknete sie völlig aus, wie an Land gespülte Quallen, sie mumifizierten, mit Staub eingepudert, trotzdem wehte der süßliche Leichengeruch widerlich über die Palisaden. Ein paarmal hatte Paddy getobt und seine Capatazos angebrüllt, hatte ihnen gedroht oder auch Geld geboten – sie waren bisher zu allem bereit gewesen, aber die Toten wegzutragen, das konnte ihnen der Patron nicht befehlen. Hinzu kam, daß immer ein paar Indios um die Toten herumlungerten. An der Mauer saßen sie, die Ponchos über sich gezogen, unbeweglich, stundenlang, wie große bunte Kakteen, aber die schwarzen Augen beobachteten alles, was in der Hacienda geschah.
    Paddy ließ wieder seine Springbrunnen rauschen, badete laut prustend im Pool, bot jetzt zwei Kannen Wasser für das hübscheste Mädchen von Santa Magdalena … Die Indios nahmen es wortlos hin und hockten wie versteinert bei ihren Toten.
    Rick Haverston blickte gleichgültig auf die Straße, als sich die Flügel des großen Tores öffneten. Der Fahrer, ein Mexikaner, ließ den Geländewagen bis fast zum Ausgang rollen, dann bremste er. Vor ihnen lagen die Leichen.
    »Was ist denn?« fragte Haverston. »Stottert der Motor? Ich höre nichts.«
    »Die Toten, Señor …« stammelte der Capatazo. »Wir kommen nicht raus.«
    »Wieso denn nicht?« Haverston beugte sich vor zur Frontscheibe. Die herumhockenden Indios hatten ein wenig die Köpfe gehoben. »Vor uns liegt die Straße. Los!«
    »Ich kann doch nicht …« Der Mexikaner lehnte sich zurück. »Señor, es ist mir unmöglich …«
    »Rutschen Sie zur Seite, Sie Idiot!« sagte Haverston grob. Er wechselte mit dem Mexikaner den Platz und setzte sich hinter das Steuer. Dann legte er seine automatische Pistole neben sich und kurbelte das Seitenfenster herunter.
    »Wenn ich etwas erklären dürfte, Señor …« sagte der Mexikaner mit plötzlich heiserer Stimme.
    »Nein!« Haverston löste die Handbremse. »In diesem Land wird viel zuviel erklärt, gesprochen und gedacht! Sie fahren doch auch über Steine, die im Weg liegen!«
    »Aber das sind keine Steine, Señor. Das sind …« Der Mexikaner schluckte.
    »Es sind Kuhfladen, Junge!« Haverston ließ den Motor aufheulen. Die Köpfe der Indios zuckten hoch, als bräche neben ihnen die Erde auf. Rick packte den Capatazo am Nacken und drückte den Kopf nach vorn. Sein Griff war so eisern, daß sich der Mexikaner krümmte und das Gesicht schmerzhaft verzog. »Sieh sie dir an! Sehen sie aus wie Kuhfladen oder nicht?«
    Der Capatazo rollte mit den Augen. Vor ihm lagen die verstaubten, ausgetrockneten Toten. Vier Frauen, zwei Greise und drei kleine Kinder. Nackt, mit Leder überzogene Gerippe, besetzt mit dicken Haufen summender schwarzer, fetter Fliegen, deren Flügel in der Sonne grünlich schimmerten.
    »Na?« sagte Haverston kalt und drückte den Kopf weiter nach vorn.
    »Sie sehen so aus …« stotterte der Capatazo. »Wirklich, Señor, Sie

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