Im Tal der bittersüßen Träume
Hacienda. Nur noch zwei Dienstmädchen waren im Haus – sonst war Paddy allein, sogar Emanuel Lopez war mitgefahren. Sie hatten ihm einen Sonntagsanzug geliehen und ihn bäuchlings auf einen Wagen gelegt. Vom Tal klang immer noch die Glocke herauf und plötzlich ein lautes Geknatter. Die Mexikaner schossen in die Luft. Salut für die Bräute!
Amigos, auch wenn uns die Zunge dick im Mund liegt und der Durst uns umbringt – das Leben ist schön! Heute ist es schön!
Über die Straße vom Hospital zur Kirche bewegte sich der feierliche Hochzeitszug. Vorweg zu Pferde, in mexikanischer Tracht, Dr. Högli, umgeben von zehn Capatazos. Dahinter, auf einem mit gestohlenen Blumen aus Paddys Park geschmückten Wagen Evita Lagarto. Der Schleier, aus Höglis Arbeitszimmer-Gardine, verhüllte sie völlig.
Es war genau neun Uhr und zwanzig Minuten. In El Paso startete das Privatflugzeug Miguel Lagartos nach Santa Magdalena. Es hatte soeben die Erlaubnis zum Überfliegen der mexikanischen Grenze erhalten.
Pater Felix empfing den Brautzug draußen vor der Kirche. Er sah völlig verändert, ja fremd aus: Nicht nur seine gelblackierten, sondern auch die nachgewachsenen schwarzen Haare hatte er sich, da sie noch nicht lang genug waren, abrasiert. So stand er kahlköpfig vor der Kirchentür, das Gesicht wieder von einem Bart umrahmt, im Festornat mit goldbesticktem Schultertuch. Aber auf den breiten Patronengurt hatte er auch diesmal nicht verzichtet und unter der Stola sah man den Griff des Revolvers. Ein Anblick an den man sich erst gewöhnen mußte. Man hatte sich damit abgefunden, daß der Padre gelbe Haare hatte. Nun war er glatzköpfig fast ein anderer Mensch. Nur wenn er den Mund aufmachte und die Capatazos Hurenböcke nannte, flog ein Lächeln übe die Gesichter der Indios: Der alte Padre lebte noch!
Dr. Högli war froh, als er vor der Kirche von seinem Pferd steigen durfte, so brav es auch dahergetrottet war. Cuelva, der für die Ausschmückung zuständig war, hatte ihm das lammfrommste Pferd aus Paddys Stall gegeben, einen Gaul, der mit halbgeschlossenen Augen vorwärtsstolperte und es als Beleidigung ansah, mit dem schweren Silberzaumzeug behängt worden zu sein. Zur doppelten Sicherheit ritten links und rechts von Dr. Högli die besten Reiter, um gleich zugreifen zu können, wenn das schläfrige Pferd vielleicht doch einem Anflug von Temperament nachgehen sollte. Das war nicht auszuschließen, als kurz vor der Kirche eine Gruppe Mexikaner mit Gitarren und Mandolinen das Brautpaar empfing und dann klimpernd und singend vor ihm herzog. Da spitzte der Gaul die Ohren, hob den Kopf, blähte die Nüstern und stakste mit dem ganzen Stolz, den er noch besaß, über den Dorfplatz.
Dr. Högli war nie ein guter Reiter gewesen. Er hatte das Reiten zwar gelernt, weil es zur Ausbildung eines Arztes in Entwicklungsgebieten gehörte, und seine Argumentation, daß er nach Santa Magdalena gehe, um Kranke zu heilen und nicht, um Reiterspiele mitzumachen, wurde mit dem Hinweis widerlegt, daß er in Gebiete kommen werde, wo kein Jeep mehr fahren kann und man sich mit Pferden und Mauleseln behelfen muß. Trotzdem hatte er seit jener Reitausbildung nur selten im Sattel gesessen. Dafür konnte er Ski laufen wie ein Olympionike, einen Bob in Rekordzeit über die Bahn jagen, und im Dreitausend-Meter-Schwimmen hatte er sogar einen Preis gewonnen. Schnee und Wasser … das waren phantastische Träume in Santa Magdalena.
Langsam kam Pater Felix ihnen entgegen. Ein Kreis schwer bewaffneter Capatazos umgab ihn wie einen Wall. Auch wenn Haverston tot war, man wußte nie, was in der Zwischenzeit auf der Hacienda geschehen war. Wie schnell der Tod per Hubschrauber ins Tal kommen konnte, hatte man jetzt gesehen.
Högli rutschte aus dem Sattel und wartete, bis der geschmückte Wagen vor der Kirche hielt. Dann reichte er Evita die Hand und half ihr aus dem blumenbestickten Sitz. Sie sprang auf die Erde, aber als er sie loslassen wollte, um den Arm anzuwinkeln, damit sie sich unterhake, umklammerte sie seine Hand. Ihre Finger waren eiskalt, er spürte das Zittern, das durch ihren ganzen Körper flog. »Der Herr segne und beschütze euch«, hörte er Pater Felix Stimme; die Glocke läutete, das Mandolinenorchester jubilierte eine mexikanischer Weise, in der Kirche begann das Harmonium zu dröhnen, der Kirchenchor setzte mit einem feierlichen Lied ein … unbeschreiblicher Lärm, ein rauschendes Gewirr von Tönen brach über sie herein. Was Pater Felix zu
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